Die Vision: Eine Praxis je Postleitzahlenbezirk

200 Praxen sollen in einem Jahr unter dem Dach des Franchise-Anbieters Viecare arbeiten. In Hamburg stieß das Konzept beim Infotag auf unterschiedliche Resonanz.

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"Sei wieder Arzt, den Rest nehmen wir Dir ab." (Wolfgang Bachmann, Viecare-Chef) © di

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Von Dirk Schnack

HAMBURG. Wolfgang Bachmann, Chef des Praxis-Franchise-Anbieters Viecare, hat eine Vision. Bis zum 31. März nächsten Jahres sollen 200 Praxen in ganz Deutschland das grüne Viecare-Logo tragen, bis 2015 peilt er 3000 Franchise-Nehmer im Niedergelassenenbereich an. Der Franchise-Anbieter Viecare bietet niederlassungswilligen Ärzten Ausstattung und Beratung, die überall gleich aussehen soll: eine Praxis quasi von der Stange. In Kamp-Lintfort haben die Internisten Dr. Barbara Sungen und Dr. Joachim Heisters vor Kurzem die erste Praxis im Viecare-Stil eröffnet (wir berichteten). Mit 22 interessierten Ärzten hat Bachmann nach eigenen Angaben schon konkrete Verhandlungen geführt, 18 davon werden das Konzept umsetzen.

Die Realität hinkt der Vision anscheinend noch hinterher

Wenn er dieses Tempo beibehält, wird der Viecare-Erfinder in kürzester Zeit den ambulanten Gesundheitssektor revolutioniert haben - so die eigene Wahrnehmung. Davon ist aber am ersten einer ganzen Reihe von noch folgenden Informationstagen über das Konzept zunächst wenig zu spüren. In einem schicken Hotel in Hamburg-Harburg haben sich an einem Samstag ein gutes Dutzend Ärzte eingefunden. Begeistert wirken sie nicht, aber aufgeschlossen - und vor allem neugierig: Haben Sie etwas mit DocMorris zu tun? Nein. Wer ist der Kapitalgeber? Eigenkapital von Bachmann und seinem Bruder. Muss es immer grün sein? Ja.

Nachdem diese Fragen geklärt sind, lädt ein 59-jähriger Arzt seine ganze Skepsis ab. Detailliert schildert er, weshalb Bachmanns Konzept zwar ganz interessant sein mag, aber am Markt vorbei gehe - denn in Zeiten des Ärztemangels, so der erfahrene Praxisinhaber, müsse sich ein niedergelassener Arzt gar nicht positionieren. Er lässt durchblicken, dass er die ganzen Beratungen für überflüssig hält, weil Externe sowieso nicht wüssten, was in der Praxis los sei. Und dann noch das Design: "Da möchte ich nicht den ganzen Tag arbeiten."

Andere Ärzte nehmen das Konzept wohlwollender auf. Bachmann gelingt dies mit zwei Botschaften: Zum einen bleibe der Praxisinhaber sein eigener Herr als niedergelassener Arzt, dem niemand in seine Medizin hineinrede. Zum anderen ermögliche Viecare Ärzten weiterhin das Führen einer unabhängigen Praxis, ohne dass sie Kompetenzen an einen Konzern abgeben müssten. Zugleich bekomme der Viecare-Praxisinhaber verschiedene Module zur Praxisorganisation gestellt, die ihm die Konzentration auf die Medizin ermöglichten. Damit setzt Bachmann an einer oft beklagten Schwachstelle an, die er geschickt in einem Satz zusammenfasst: "Sei wieder Arzt, den Rest nehmen wir Dir ab."

Franchise-Pionier Joachim Heisters berichtet, dass er mit Hilfe von Viecare strukturierter arbeiten und sich mehr auf die Patienten konzentrieren könne, ohne den Dienstleistungsgedanken zu vernachlässigen. Viele Patienten hätten ihm zum neuen Praxiskonzept gratuliert, und auch die Mitarbeiter identifizierten sich damit. Heisters erwartet zudem, dass er mittelfristig durch Viecare mehr Patienten von Selbstzahlerleistungen überzeugen kann. Zugleich versucht er aber den Eindruck zu vermeiden, dass sich von heute auf morgen alles ändert: "Wir sind noch immer die Gleichen, wir haben nur bessere Rahmenbedingungen geschaffen."

Die Unterstützung hat ihren Preis. 4,5 Prozent des Praxisumsatzes erhält Viecare für seine Leistungen. Bei hohen Praxisumsätzen sind Sondervereinbarungen möglich. Außerdem verlangt der Markenverbund eine nach Umsatz gestaffelte Eintrittsgebühr zwischen 5000 und 10 000 Euro, die aber für die ersten Praxen bis zum 31. Juli noch entfällt. Dafür gibt es ein Dienstleistungspaket, das den Arzt in der Organisation entlasten, Abläufe optimieren und Entwicklungspotenziale der Praxis aufzeigen soll. Viecare kümmert sich, so Bachmann, um Marketing, Finanzen, Kommunikation, Zertifizierungen - kurz gesagt um alles, was den Arzt von der Medizin ablenke, wie der Franchise-Geber betont. Um sicher zu gehen, dass dem Viecare-Franchise-Nehmer keine Konkurrenz in der Nachbarschaft blühe, gebe es die Beschränkung auf eine Praxis pro Postleitzahlenbezirk.

Franchise-Konzept soll Praxiswert indirekt steigern

Bachmann will damit nicht nur jüngere Ärzte ansprechen. Auch ältere Kollegen könnten seiner Ansicht profitieren, weil sie damit die Chance für eine Praxisübergabe an einen Nachfolger erhöhten. Nach seinen bisherigen Erfahrungen komme das Konzept bei den Praxisinhabern gut an: "Wir werden als Problemlöser wahrgenommen." Hinzu kommt, dass Patienten nach einer Etablierung der Marke Vertrauen aufbauten, von dem alle Praxisinhaber profitieren könnten - weshalb laut Bachmann auch nicht jeder ein Viecare-Arzt werden könne. In Hamburg hat der Viecare-Chef einige Ärzte überzeugt - im Anschluss ergaben sich vier Interessenten für Einzelgespräche.

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