Praxis nicht mehr ausgeschrieben

Die knifflige Entschädigung

Die KVen können seit Jahresanfang unter bestimmten Bedingungen vakante Vertragsarztsitze nicht mehr ausschreiben. Dann müssen sie die Ärzte entschädigen. Doch gerade das könnte noch für Ärger sorgen.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Was ist die Praxis wert? Wenn die KVen Arztsitze schließen wollen, müssen sie diese Frage beantworten.

Was ist die Praxis wert? Wenn die KVen Arztsitze schließen wollen, müssen sie diese Frage beantworten.

© [M] Illian/Klaus Rose

DÜSSELDORF. Mit den neuen gesetzlichen Regelungen zur Nachbesetzung von Vertragsarztsitzen können eine Menge Probleme auf niedergelassene Ärzte zukommen.

Davon geht der Medizinrechtler Dr. Ingo Pflugmacher aus. "Mit dem Thema sind eine Reihe ungeklärter Fragen verbunden."

In Gebieten mit Zulassungsbeschränkungen entscheiden seit 1. Januar 2013 die Zulassungsausschüsse auf Antrag eines Vertragsarztes oder seiner Erben darüber, ob die Kassenärztliche Vereinigung den Sitz ausschreibt oder nicht (Paragraf 103, Absatz 3a Sozialgesetzbuch V).

Lehnt der Ausschuss die Ausschreibung ab, dann muss die KV eine Entschädigung für den - nicht erlösten - Verkaufswert der Praxis zahlen.

Soll die Praxis von einem Angehörigen, einem angestellten Arzt oder einem Mitgesellschafter weitergeführt werden, kann der Zulassungsausschuss den Antrag auf Ausschreibung nicht ablehnen.

Streitfaktor Entschädigungshöhe

Über die Höhe der Entschädigungen wird es einigen Streit geben. "Die Entschädigungsregelung ist eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Gutachter und Anwälte", so Pflugmacher auf dem 6. Düsseldorfer Neujahrssymposium der augenärztlichen Medizinischen Versorgungszentren ADCT in Nordrhein.

Es sei nicht klar, wie die Höhe der Ausgleichszahlungen zu ermitteln ist, welche Rolle etwa der privatärztliche Teil der Praxis spiele. "Wie die Entschädigung zum Beispiel bei Gemeinschaftspraxen quantifiziert werden soll, ist völlig offen".

Was passiert, wenn eine Praxis nicht ausgeschrieben wird, für die noch ein lang laufender Mietvertrag gilt? "Muss die KV irgendwann die Miete für eine Reihe leer stehender Praxen bezahlen?"

Der Rechtsanwalt erwartet, dass die Zulassungsausschüsse die neue Thematik regional ganz unterschiedlich handhaben werden. Die KV Nordrhein hat bereits mitgeteilt, dass sich Ausschreibungs- und Nachbesetzungsverfahren künftig auf eine Dauer von neun Monaten oder länger belaufen können, berichtete er.

Dauert künftig alles länger?

Diese lange Zeitspanne steht nach seiner Einschätzung in den meisten Fällen den praktischen Bedürfnissen der Beteiligten entgegen. Er appellierte an die Ausschüsse, zu einer schnelleren Entscheidung zu kommen.

Laut Pflugmacher ist es nach dem Tod eines Praxisinhabers möglich, für maximal zwei Quartale einen Praxisverweser einzusetzen. Es sei ungeklärt, wie man verfahren solle, wenn das Nachbesetzungsverfahren neun Monate dauert.

"Muss die Praxis dann ein Quartal leer bleiben?" Dann wäre sie nicht mehr zu verkaufen. Der Medizinrechtlicher verweist darauf, dass im Gesetz nicht festgelegt ist, nach welchen Kriterien die Zulassungsausschüsse eine Ausschreibung des Vertragsarztsitzes ablehnen können.

Der simple Verweis auf eine Überversorgung reicht seiner Einschätzung nach nicht aus. "Wenn die Ausschüsse von dem Recht Gebrauch machen, erwarte ich eine Reihe von Auseinandersetzungen". Häufig werde es dabei um Schadenersatz gehen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Eine Ungewissheit mehr

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Statistisches Bundesamt

Beschäftigte arbeiten 2026 2,4 Arbeitstage mehr

Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Manchmal kommt Künstliche Intelligenz ziemlich abstrakt daher. Doch es gibt zunehmend auch konkrete Anwendungen, sogar für Arztpraxen.

© 3dkombinat - stock.adobe.com

Praxisorganisation

Mit KI zu mehr Entlastung fürs Praxisteam

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Eine Ärztin hält einen Reagenzstreifen zur Analyse einer Urinprobe in der Hand.

© H_Ko / stock.adobe.com

Risikofaktoren identifiziert

Für wen könnten Harnwegsinfekte gefährlich werden?

Ein älterer Herr, der einen medizinischen Fragebogen ausfüllt.

© buritora / stock.adobe.com

Metaanalyse

Subjektive Krankheitsbelastung bei Krebs prognostisch relevant