Ein Bild wirkt mehr als 1000 Worte

Ärzte, die ihre Patienten zur Therapietreue motivieren wollen, sollten auf visuelle Kommunikation setzen. Denn medizinische Studien belegen: Was man konkret sieht, prägt sich besser ein und wirkt emotionaler als Sprache.

Von Ursula Armstrong Veröffentlicht:
Ob Röntgenbild oder Grafik: Visuelle Erklärungen verstehen Patienten besser.

Ob Röntgenbild oder Grafik: Visuelle Erklärungen verstehen Patienten besser.

© Mathias Ernert / Urologische Univ. Heidelberg

"Ein Bild sagt mehr als tausend Worte" - hinter diesem Spruch steckt eine wesentliche Prämisse der Werbung: Was man auf Bildern sieht, zieht eher den Blick an als Text und bleibt auch stärker hängen, als das, was man liest oder hört.

Diesen Effekt kennen wir alle. Wohin schaut man zuerst auf einer Zeitungsseite wie dieser? Genau, auf die Bilder, nicht auf die Texte. Kein Wunder, das Sehen ist für Menschen der wichtigste Sinn. Wir orientieren uns anhand dessen, was wir sehen.

Die meisten Informationen nehmen wir über die visuelle Wahrnehmung auf, nur etwa 15 Prozent über das Gehör, also die Sprache.

Vor allem Chroniker profitieren

Bilder sind stark, sie prägen sich ein, sie wirken auf die Emotionen. Visualisierte Informationen aus Bildern oder Grafiken sind konkret und bringen Dinge schnell auf den Punkt. Dagegen ist Sprache viel abstrakter.

Diese Erfahrung aus der Werbebranche kann man sich auch als Arzt zunutze machen. Patienten Bilder oder Grafisches in die Hand zu geben kann deutlich die Compliance erhöhen.

Denn das Konkrete, das Bilder vermitteln, wirkt unmittelbar, und man kann es sich besonders gut merken.

Auch Erklärungen anhand von Illustrationen oder anatomischen Modellen werden besser verstanden. Bilder können zu dem berühmten Aha-Effekt führen, schneller und direkter, als Sprache das kann. Wenn chronisch kranke Patienten mit eigenen Augen sehen, was eine internistische Krankheit in ihrem Körper anrichtet, sind sie eher bereit, etwas für ihre Genesung zu tun.

Studie zu Kalkscore überraschte die Mediziner

Welche Bedeutung das Visualisieren für die Compliance hat, ist in verschiedenen Studien gezeigt worden.

Besonders prägnant waren die Ergebnisse einer US-Studie aus dem Jahr 2006: Bei 505 Patienten wurden an der Harbor University in Los Angeles die Koronargefäße mit Elektronenstrahl-Tomografie untersucht und der Kalkscore ermittelt (Atherosclerosis 185, 2006, 394). Danach erläuterte ein Arzt den Patienten die Befunde anhand der Bilder und gab therapeutische Anweisungen.

Es zeigte sich, dass vor allem Patienten mit stark verkalkten Koronarien - die dies auf Bildern ihres eigenen Körpers vermittelt bekamen - die Ratschläge der Ärzte konsequent befolgten. Nach drei Jahren nahmen nur noch 52 Prozent der Patienten mit der geringsten Kalkbelastung ihre Statine ein. In der Gruppe der Patienten mit der stärksten Kalkbelastung waren dies jedoch 91 Prozent.

Befunde zum Mitnehmen wirken zu Hause nach

Diesen Erfolg führte das Forscherteam auf den Effekt der Bilder zurück: Patienten, die die eigentlich von außen unsichtbaren Verkalkungen in ihren Gefäßen sehen, würden die Bedrohung ihrer Gesundheit anders wahrnehmen, nämlich viel konkreter, als Patienten, die nur mündlich informiert würden. Das führe dann dazu, dass sie die Therapieempfehlungen konsequenter einhalten.

Auch Befunde mitzugeben wirkt sich derart positiv aus. Das hat eine Studie mit Osteoporose-Patientinnen ergeben. Denn wird den Patientinnen ihr DXA-Scan der Knochendichtemessung mit nach Hause gegeben, steigt die Compliance für Osteoporose-Arzneien.

Die Studie, an der 370 Osteoporose-Patientinnen teilnahmen, wurde vor vier Jahren auf dem Kongress des American College of Rheumatology vorgestellt.

Bilder schockieren und reißen aus der Bequemlichkeit

Von den Frauen, die das Bild mitbekommen hatten, nahmen nach sechs Monaten noch 87 Prozent ihre Medikamente ein. In der Gruppe der Patientinnen, die keinen Befund mitbekommen hatten, sondern nur mündlich informiert worden waren, waren dagegen nach sechs Monaten nur etwa 50 Prozent bei der Stange geblieben.

Sehr intensiv genutzt wird die Macht der Bilder bereits in Zahnarztpraxen. Immer mehr Zahnarztpraxen verfügen über eine intraorale Kamera. Damit können sie den Patienten ganz genau zeigen, wie es in ihrem Mund aussieht und so zum Beispiel die Zahnhygiene fördern.

Denn gerade Bilder können ganz schön schockieren und einen aus der Bequemlichkeit herausreißen. Viel mehr, als Appelle oder nüchterne sprachliche Erklärungen.

Ein Beispiel dafür sind auch die drastischen Darstellungen der Folgekrankheiten des Rauchens auf den Zigarettenschachteln. Selbst wenn Raucher meinen, das gar nicht mehr wahrzunehmen, könnten sie sich doch der Macht dieser Bilder nicht wirklich entziehen, meint das Deutsche Krebsforschungszentrum.

Jede Visualisierung spart Zeit

Analysen hätten die Wirksamkeit der kombinierten Warnhinweise aus Text und Bild gezeigt. Die negativen Emotionen, die diese Bilder auslösen, erhöhten die Wahrscheinlichkeit, dass Raucher ihren Konsum reduzieren und zu einem Rauchstopp motiviert sind.

Es lohnt sich also, auf die starke, emotionale und konkrete Wirkung der Bilder zu setzen, Erklärungen zu illustrieren und, wenn irgend möglich, Befunde nach Hause mit zu geben. Die Zeit, die Ärzte im Patientengespräch dafür mehr investieren müssen, ist wirklich gut genutzt.

Oder, eben in Abwandlung des berühmten Werbespruchs: Ein Bild erhöht die Compliance stärker als tausend Worte.

Davon profitieren nicht nur die Patienten, sondern auch Ärzte, weil die Kontrolltermine in der Praxis dann weniger Zeit beanspruchen - schließlich fallen so ebenso zeitraubende Ermahnungen und Belehrungen weg.

Die Sprache der Bilder im Praxisalltag

Visualisieren schön und gut, aber was kann das in der Praxis bedeuten? Hier ein paar kleine Tipps, wie man die Wirkung der Bilder nutzen kann:

  • Erklären Sie eine Diagnose anhand der erhobenen Befunde. Für Patienten ist es wichtig, etwas Konkretes zu sehen, vor allem, wenn es sich um eine eigentlich von außen unsichtbare chronische Krankheit handelt. Das geht tiefer unter die Haut als jede noch so gute Ansprache.
  • Geben Sie chronisch Kranken die Befunde wie DXA-Scans mit nach Hause. Das kann einen nachhaltigen Effekt auf die Therapietreue haben.
  • Nutzen Sie Illustrationen oder anatomische Modelle zur Erklärung von Erkrankungen. So verstehen Patienten etwa den Nutzen einer Therapie schneller, und sie werden eher motiviert, diese einzuhalten. Sie können auch während eines Aufklärungsgesprächs individuelle Skizzen machen und den Patienten mitgeben. Dazu sollten Sie sich von vornherein einen Notizblock bereitlegen (am besten mit Ihrem Namen und der Adresse der Praxis im Kopf). Aber auch neue Medien wie das iPad helfen bei der Visualisierung - denn auf den Tablet-PC lassen sich Videos und animierte Illustrationen abspielen, und über den Touchscreen kann der Patient sich selbst Themen erarbeiten.
  • Die meisten Patienten informieren sich in den Medien, vor allem im Fernsehen, in Ratgeber-Büchern oder im Internet über Gesundheit und Krankheiten. Und das kann nachgewiesenermaßen zu Verhaltensänderungen führen. Nützen Sie diese Bereitschaft aus. Geben Sie den Patienten Broschüren und Infoblätter zu den verschiedenen Aspekten der Krankheit mit. Sie können auch Seiten aus dem Internet ausdrucken, die Sie für besonders informativ halten. Eine Homepage nur zu empfehlen oder die Webadresse aufzuschreiben, ist zu wenig. Material mitzugeben bringt wirklich etwas. In einer Studie wurde gezeigt, dass depressive Patienten, die zur medikamentösen Therapie einen Ratgeber zum Umgang mit der Erkrankung erhalten hatten, ihre Medikamente signifikant häufiger und konsequenter einnahmen, als Patienten, denen Ärzte kein Buch mitgegeben hatten.
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Wie sich Fehlinfos geraderücken lassen

Das Faktensandwich hilft im Umgang mit falsch vorinformierten Patienten

Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Porträts: [M] Feldkamp; Luster | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

© Portraits: [M] Feldkamp; Luster | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

„ÄrzteTag extra“-Podcast

Die Schilddrüse tickt in jedem Lebensalter anders

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Frankfurt am Main
Abb. 1: Studie DECLARE-TIMI 58: primärer Endpunkt „kardiovaskulärer Tod oder Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz“ in der Gesamtkohorte

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [4]

Diabetes mellitus Typ 2

Diabetes mellitus Typ 2 Präventiv statt reaktiv: Bei Typ-2-Diabetes mit Risikokonstellation Folgeerkrankungen verhindern

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

© Springer Medizin Verlag

Unternehmen im Fokus

Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Advanz Pharma GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Ein Mann greift sich an den Fuß.

© Jan-Otto / Getty Images / iStock

Therapievergleich

Akuter Gichtanfall: Am Ende machen alle Wirkstoffe ihren Job

Ein Hinweisschild mit Bundesadler vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

© Uli Deck/picture alliance/dpa

Update

Urteil

Bundesverfassungsgericht: Triage-Regelung nicht mit Grundgesetz vereinbar