Gastbeitrag
Es muss nicht immer das günstigste Gerät sein
Unter geeigneten Behandlungsalternativen müssen Ärzte für ihre Patienten nicht immer die kostengünstigste auswählen - auch bei Hörgeräten. Das hat ein Landgericht jetzt bestätigt.
Veröffentlicht:Gerichtliche Streitigkeiten zwischen Privatpatienten und ihren Krankenversicherungen, die die medizinische Notwendigkeit einer ärztlichen Behandlungsmaßnahme in Abrede stellen und die Patienten auf den Kosten sitzen lassen, kann man inzwischen getrost als "Dauerbrenner" bezeichnen.
Aus der Fülle der in den vergangenen Jahren ergangenen Urteile ist für den Arzt vor allem eine Erkenntnis relevant: Unter mehreren geeigneten Behandlungsalternativen braucht er für seinen Patienten nicht immer die kostenmäßig Günstigste zu wählen.
Dies gilt auch bei der Auswahl von Hörgeräten, wie das LG München I in einem soeben verkündeten Urteil festgestellt hat.
Kläger hat Tinnitus und Hochtonschwerhörigkeit
Geklagt hatte ein mittlerweile 53-jähriger Patient mit einer leichten Hochtonschwerhörigkeit an beiden Ohren sowie einem Tinnitus.
Auf Verordnung seines HNO-Arztes und nach mehrfachen Tests mit verschiedenen Hörgeräten bei einem Hörgeräteakustiker hatte sich der Kläger für ein Hörgerät für rund 4800 Euro entschieden.
Die Bayerische Beamtenkrankenkasse, bei der der Patient seit vielen Jahren versichert war, erstattete ihm jedoch lediglich rund 2100 Euro.
Kasse: Hörgerät der Luxusklasse
Die Beamtenkrankenkasse begründete ihre Leistungskürzung damit, dass nach ihren Tarifbedingungen lediglich die Kosten für "Hörhilfen in angemessener Ausführung" zu erstatten seien.
Damit seien Geräte der Luxusklasse nicht erstattungsfähig. Ausgleichsfähig seien nach Ansicht der Versicherung vielmehr nur Geräte im mittleren Preissegment.
Das vom Versicherungsnehmer angeschaffte Hörgerät sei aber kein Gerät im mittleren Preissegment, so die Versicherung, sondern ein Hörgerät der Luxusklasse.
Sachverständige hätte sogar teuere Geräte empfohlen
Nachdem das Amtsgericht (AG) München die Ansicht der Versicherung noch bestätigt hatte, ging der Patient gegen das erstinstanzliche Urteil in Berufung - und kam vor dem LG zu seinem Recht.
Begründung: Solange ein Versicherer in seinem Tarif nicht ausdrücklich Kostenbeschränkungen - etwa bestimmte Preisobergrenzen - regele, komme es alleine auf die medizinische Notwendigkeit, also auf die Geeignetheit der ärztlichen Maßnahme an, die Krankheit zu heilen oder zu lindern.
Die vom AG München in seinem erstinstanzlichen Urteil vertretene Auslegung, wonach der Begriff der Angemessenheit eine Ausführung zu einem durchschnittlichen Preis beinhalten würde, wurde also vom LG verworfen.
Die vom LG München I als Sachverständige beauftragte HNO-Ärztin bestätige in ihrem ausführlichen Gutachten denn auch, dass bei dem von Arzt und Patienten ausgewählten Hörgerät das Sprachverständnis besser und darüber hinaus auch das Eigenrauschen der Geräte weniger vernehmbar sei als bei den Geräten, die von der Bayerischen Beamtenkrankenkasse zuvor vorgeschlagen worden waren.
Das Urteil stärkt die Therapiehoheit der Ärzte
Die Sachverständige stellte klar, dass der Kläger keineswegs ein Gerät der Luxusklasse oder des Premiumsegments erworben hätte. Die Sachverständige merkte vielmehr an, dass sie ihren eigenen Patienten, bei vergleichbaren Beschwerdebildern, bessere - allerdings auch teurere - Hörgeräte empfohlen hätte.
Die Bayerische Beamtenkrankenkasse gab sich unbelehrbar und ließ über ihren Anwalt als Antwort auf die Erkenntnisse der Sachverständigen verlauten, dass nach ihren Tarifbedingungen Kosten nur für solche Geräte erstattet würden, die das "grundlegende Sprachverständnis" des Patienten herstellen würden.
Das LG München I erteilte dieser Sichtweise eine Abfuhr. Für die Ärzte bedeutet das Urteil des LG München I eine Stärkung ihrer Therapiefreiheit.
Emil Brodski und Stefan Wenzel sind Fachanwälte für Medizinrecht in München.