Kopftuchverbot

EuGH konkretisiert, wann Arbeitgeber religiöse Symbole verbieten dürfen

Darf einer Muslimin untersagt werden, mit Kopftuch an einer Drogeriemarktkasse zu stehen oder in einer Kita zu arbeiten? Der EuGH hat zu dieser Frage ein mit Spannung erwartetes Urteil gesprochen. Es dürfte auch Auswirkungen auf andere Religionen haben.

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Mit Kopftuch an den Arbeitsplatz? Der EuGH hat jetzt Bedingungen dafür genannt, wann ein Arbeitgeber ein Verbot aussprechen darf. (Archivbild)

Mit Kopftuch an den Arbeitsplatz? Der EuGH hat jetzt Bedingungen dafür genannt, wann ein Arbeitgeber ein Verbot aussprechen darf. (Archivbild)

© dpa

Luxemburg. Der Europäische Gerichtshof hat die Rechte von Arbeitgebern gestärkt, die muslimischen Mitarbeiterinnen verbieten, am Arbeitsplatz ein Kopftuch zu tragen. Die Richter entschieden am Donnerstag anlässlich zweier Streitfälle aus Deutschland, dass ein Kopftuchverbot gerechtfertigt sein kann, wenn der Arbeitgeber gegenüber Kunden ein Bild der Neutralität vermitteln oder soziale Konflikte vermeiden will.

Zugleich machten sie allerdings deutlich, dass dann auch keine anderen sichtbaren Bekundungen politischer, weltanschaulicher oder religiöser Überzeugungen erlaubt sein dürfen. Demnach ist zum Beispiel kein Kopftuchverbot möglich, wenn gleichzeitig einer katholischen Mitarbeiterin gestattet wird, offen eine Kette mit einem religiösen Kreuz zu tragen.

Neutralitätsforderung muss begründet sein

Betont wurde zudem, dass Arbeitgeber klar machen müssen, dass ein Kopftuchverbot für sie wirklich relevant ist. So muss es beispielsweise in der Kita den Wunsch von Elternseite geben, dass ihre Kinder nur von Personen beaufsichtigt werden, die nicht ihre Religion oder Weltanschauung zum Ausdruck bringen.

Anlass des Urteils waren zwei Fälle aus Deutschland. Zum einen war eine muslimische Mitarbeiterin einer überkonfessionellen Kindertagesstätte in Hamburg mehrfach abgemahnt worden, weil sie mit Kopftuch zur Arbeit gekommen war. Vor dem Arbeitsgericht Hamburg wurde daraufhin verhandelt, ob die Einträge aus der Personalakte gelöscht werden müssen. Das Gericht bat den EuGH daraufhin um die Auslegung von EU-Recht.

Religionsfreiheit contra Berufsfreiheit

Ähnlich ging das Bundesarbeitsgericht 2019 mit dem Fall einer Muslimin aus dem Raum Nürnberg vor, die gegen ein Kopftuchverbot bei der Drogeriemarktkette Müller geklagt hatte. In beiden Fällen fühlen sich die Frauen durch das Kopftuchverbot diskriminiert. Sie verweisen auf das Gleichbehandlungsgesetz sowie das Grundrecht auf Religionsfreiheit. Die Gegenseite argumentiert unter anderem mit der durch die EU-Grundrechtecharta geschützten unternehmerischen Freiheit.

Das abschließende Urteil in den beiden deutschen Fällen müssen nun die zuständigen deutschen Gerichte treffen. Der EuGH betonte am Donnerstag, diese hätten durchaus Entscheidungsspielraum. Demnach könnten die nationalen Gerichte im Rahmen des Ausgleichs der in Rede stehenden Rechte und Interessen dem Kontext ihres jeweiligen Mitgliedstaats Rechnung tragen. Insbesondere sei dies der Fall, wenn es in Bezug auf den Schutz der Religionsfreiheit günstigere nationale Vorschriften gebe.

Verbots-Bedingungen konkretisiert

Das neue Urteil des EuGH präzisiert eine Entscheidung aus dem Jahr 2017. Damals hatte der EuGH in einem ähnlichen Fall entschieden, dass ein allgemeines internes Verbot von politischen oder religiösen Symbolen am Arbeitsplatz keine unmittelbare Diskriminierung darstellt. Der Wunsch des Arbeitgebers, seinen Kunden ein Bild weltanschaulicher Neutralität zu vermitteln, sei legitim und gehöre zur unternehmerischen Freiheit, so die Richter. Ob gleichzeitig auch das Tragen anderer religiöser Symbole verboten werden muss, blieb damals allerdings noch offen.

Zumindest für den Kindertagesstättenbetreiber dürfte die nun erfolgte Klarstellung aber keine weitreichenden Konsequenzen haben. Er verbietet Mitarbeitern nämlich laut EuGH auch, christliche Kreuze, jüdische Kippas und andere religiös oder weltanschaulich bestimmte Kleidungsstücke zu tragen. Eine Mitarbeiterin, die ein Kreuz als Halskette trug, musste dies ablegen. (dpa)

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