Studie

Finanzinvestoren entdecken MVZ und Praxen

Private-Equity-Gesellschaften investieren verstärkt im deutschen Gesundheitswesen. Die Gewinne landen meist in Steueroasen.

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GELSENKIRCHEN. Das Gesundheitswesen ist für Finanzinvestoren zur wichtigsten Zielbranche geworden. Das geht aus einer Studie des Instituts Arbeit und Technik (IAT) der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen – Bocholt – Recklinghausen hervor.

Danach hat es im Zeitraum von 2013 bis 2018 rund 130 Übernahmen von Unternehmen durch Private Equity gegeben – mit stark steigender Tendenz im ersten Halbjahr 2018. Dabei haben die Autoren nur die Patientenversorgung in Krankenhäusern, Arztpraxen, MVZ und Pflegeheimen in den Blick genommen. Medizintechnikbranche, Pharma und Gesundheitstourismus blieben außen vor.

Bemerkenswert ist die Dynamik der Entwicklung: 2014 bis 2016 hatte der Gesundheitssektor nur einen Anteil von drei Prozent aller Übernahmen. Betroffen waren jeweils etwa zehn Unternehmen. 2017 indes entfielen bereits 15 Prozent aller Übernahmen durch Fremdinvestoren in Deutschland auf das Gesundheitswesen, das entspricht 53 Übernahmen.

Im ersten Halbjahr des Vorjahres registrierten die Autoren bereits 33 Übernahmen; sie gehen für 2018 von einem neuen „Rekordjahr“ für Private Equity aus. Im Zeitraum von 2013 bis zum ersten Halbjahr übernahmen Fremdkapitalgeber insgesamt 125 Versorgungseinrichtungen, darunter 27 Kliniken, 31 MVZ und 48 Pflege-Unternehmen. Betroffen von diesen Deals waren fast 66.000 Beschäftigte.

Dabei sinken die Beschäftigtenzahlen je Übernahme kontinuierlich – für die IAT-Forscher ein Hinweis, dass MVZ und Facharztpraxen in den Fokus der Investoren kommen. Hier werde ein „Wechsel in der Strategie der Private Equity-Gesellschaften“ deutlich, heißt es.

Auffällig ist, dass seit 2013 rund zwei Drittel der Verkäufer private Eigentümer gewesen sind – bei Arztpraxen und MVZ galt das fast durchgängig. Dies deute häufig Probleme in der Nachfolge an, wenn der bisherige Eigentümer in den Ruhestand gehen will. Im deutschen Gesundheitswesen sind vor allem Fonds bei Übernahmen aktiv, allen voran Carlyle (USA), Nordic Capital (Schweden) und Waterland Private Equity (Niederlande). Drei Viertel der aktiven Investoren haben ihren rechtlichen Sitz in Offshore-Standorten wie Jersey oder den Cayman Islands. Die Gewinne aus Übernahmen im Gesundheitswesen werden demnach „ganz überwiegend über eine ‚Steueroase‘ an die eigentlichen Investoren weitergereicht“.

Neues Ziel für Investoren sind Zahnarzt-Ketten. Im August 2018 konnten 296 MVZ-Standorte einer Zahnmedizin-Kette zugeordnet werden. Rund 60 Standorte – MVZ, Praxis oder Klinik – seien gegenwärtig in der Hand von Investoren. Zahnmedizin sei aktuell „Ziel eines Schwarmverhaltens der Beteiligungsgesellschaften“. Hier erwartet das IAT, dass sich die Marktstruktur in der Zahnmedizin „durchgreifend verändert“.

In den Bundesländern wird die wachsende Bedeutung von MVZ-Ketten mit Blick auf die Sicherstellung der Versorgung kritisch beäugt. Der Bundesrat hat sich dafür ausgesprochen, im Rahmen des Terminservicegesetzes die Gründungsvoraussetzungen für MVZ neu auszutarieren. (fst)

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