Bürokratie-Index

Formularwut der Kassen kostet Ärzte Millionen Stunden

Der Bürokratieaufwand in den Arztpraxen nimmt ab. Noch ist das aber für die Ärzte und ihr Personal kaum wahrzunehmen.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Formularwut der Kassen kostet Ärzte Millionen Stunden

© Gina Sanders / fotolia.com

BERLIN. Der Bürokratieaufwand in den Praxen niedergelassener Ärzte ist in den vergangenen drei Jahren in den Sinkflug gegangen. In "harten Zahlen" sei das Ergebnis einer aktuellen Untersuchung jedoch "erschütternd", sagte KBV-Chef Dr. Andreas Gassen am Dienstag in Berlin. "In einer Zeit, in der über Ärztemangel gesprochen wird, muss jede Arztpraxis im Schnitt 70 Tage im Jahr für Bürokratie aufwenden", sagte Gassen.

Das größte Bürokratieärgernis sind demnach nach wie vor die Kassenanfragen, die im Jahr 2016 bislang rund 27 Millionen Mal angefallen sind und damit rund sechs Millionen Stunden ärztlicher Arbeitszeit verschlangen. Große Brocken sind zudem das Ausstellen von Überweisungen (6,1 Millionen Stunden) und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (4,6 Millionen Stunden). Dies gehöre aber zum Kerngeschäft ärztlicher Tätigkeit und könne kaum reduziert werden, räumte Gassen ein.

Mindestens 76 Millionen Stunden im Jahr verbringen niedergelassene Ärzte und ihr Praxispersonal mit dem Ausfüllen von Formularen. Rund 52 Millionen Stunden davon gehen auf Vorgaben der Selbstverwaltung zurück, 24 Millionen auf die Gesetzgebung des Bundes. Diese Zahlen gehen aus dem Bürokratieindex hervor, den die KBV, die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe und die private Fachhochschule des Mittelstandes Bielefeld (FHM) am Dienstag in Berlin vorgelegt haben.

Der Index soll künftig jährlich veröffentlicht werden und so Druck im Gesundheitswesen aufbauen, die Bürokratielasten im Auge zu behalten, so die Initiatoren.

Im vergangenen Jahr hatte der Normenkontrollrat einen Bericht auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamts vorgelegt. Demnach hatten Ärzte und ihr Personal im Jahr 2013 rund 55 Millionen Stunden für den Papierkrieg aufgewendet. Die seither eingesparten drei Millionen Stunden (siehe Grafik) verdanken die Ärzte vor allem der Abschaffung der Praxisgebühr. Viele Patienten gehen wieder ohne Überweisung zum Facharzt.

Eine erfolgreiche Verschlankung bürokratischer Abläufe bedeutet dagegen das Zusammenlegen der Muster 1 und 17 bei der AU-Bescheinigung. Immerhin 1,25 Millionen Stunden an Bürokratieaufwand hätten so abgebaut werden können, berichtete Studienleiter Professor Volker Wittberg von der FHM. Setze man den vom Normenkontrollrat ermittelten Wert bei 100 an, sei der Bürokratieindex zwischenzeitlich auf 95,28 gefallen.

Nach wie vor gibt es Bürokratieaufwuchs. Rückenschmerzen und psychische Leiden vor allem dürften 2016 zum höchsten Wert an Krankschreibungen seit 16 Jahren führen. Die Alterung der Gesellschaft wiederum lässt die Zahl der Krankenbeförderungen steigen. Die Änderungen von Festbeträgen führen bei den Ärzten zu Aufklärungspflichten gegenüber den Patienten.

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