Gesundes Arbeiten

Für immer mehr Beschäftigte eine Utopie?

Arbeitnehmer in Deutschland fühlen sich mehrheitlich gesund. Allerdings plagen teils jeden Zweiten Gesundheitsprobleme im Job. Der neue Arbeitszeitreport Deutschland weist auf die große Rolle der Flexibilität der Beschäftigten hin.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:

DORTMUND. Insgesamt beurteilen 62 Prozent der abhängig Beschäftigten in Deutschland ihren allgemeinen Gesundheitszustand als (sehr) gut und zwölf Prozent als (sehr) schlecht. Dabei zeigen sich leichte Unterschiede, wenn man nach der Länge der wöchentlichen Arbeitszeit differenziert.

So schätzen sich die mit zehn bis 19 Wochenstunden in kurzer Teilzeit Beschäftigten mit 66 Prozent am gesündesten ein. Der Anteil derjenigen, die ihre Gesundheit (sehr) schlecht einschätzen, ist bei überlanger Vollzeit ab 60 Wochenstunden mit 17 Prozent am größten.

Diese Zahlen gehen aus dem jetzt veröffentlichten "Arbeitszeitreport Deutschland 2016" der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (baua), einer repräsentativen Befragung von 17.944 Beschäftigten in Deutschland, hervor.

Sechs Prozent davon arbeiteten laut baua in kurzer Teilzeit (zehn bis 19 Stunden), 17 Prozent in langer Teilzeit (20-34 h), 16 Prozent in moderater Vollzeit (35-39 h), 44 Prozent in langer Vollzeit (40-47 h), 13 Prozent in überlanger Vollzeit unter 60 Stunden (48-59 h) und vier Prozent in überlanger Vollzeit ab 60 Stunden.

Healthy-Worker-Effekt

64 Prozent der Beschäftigten in langer Vollzeit und 63 Prozent der Beschäftigten in überlanger Vollzeit unter 60 Stunden gaben einen (sehr) guten Gesundheitszustand an. Zwei Drittel der männlichen Beschäftigten ab 55 Jahren geben zudem eine (sehr) gute Gesundheit trotz überlanger Arbeitszeiten ab 60 Wochenstunden an.

Auf der einen Seite verschlechtert sich somit die Gesundheit mit zunehmender Länge der Arbeitszeit, wie die baua hinweist. Zugleich existiere jedoch eine Gruppe von Beschäftigten mit überlangen Arbeitszeiten, die nach eigener Einschätzung über eine gute Gesundheit verfügen.

"Dies spiegelt Selbstselektionsprozesse wider, wonach überlange wöchentliche Arbeitszeiten häufig von gesunden und leistungsfähigen Beschäftigten absolviert werden", heißt es in dem Bericht mit Verweis auf das in der Literatur als Healthy-Worker-Effekt bekannte Phänomen. Gründe könnten auch in höheren finanziellen oder psychologischen Belohnungen – beispielsweise Anerkennung oder identitätsstiftende Wirkung – liegen, die aus der Arbeit resultierten.

Neun Prozent der Beschäftigten sind dem Bericht zufolge mit ihrer Arbeit im Allgemeinen weniger oder nicht zufrieden. In der überlangen Vollzeit ab 60 Stunden trifft das auf 13 Prozent der Beschäftigten zu. (Sehr) zufrieden sind Beschäftigte mit jeweils 92 Prozent am häufigsten in moderater und langer Vollzeit sowie langer Teilzeit.

Müdigkeit und Erschöpfung

Von jungen Beschäftigten unter 30 Jahren wird mit 93 Prozent auch bei überlangen Arbeitszeiten ab 60 Wochenstunden von einer (sehr) hohen Arbeitszufriedenheit berichtet.

Die Betrachtung der symptombezogenen Einschätzung des Gesundheitszustands zeigt, dass von Beschäftigten mit überlangen Arbeitszeiten signifikant häufiger körperliche Erschöpfung, Niedergeschlagenheit, Müdigkeit/Erschöpfung, Schlafstörungen sowie Rücken- und Kreuzschmerzen berichtet werden als von den übrigen Beschäftigten.

Am geringsten ist dabei die Bandbreite bei Rücken- und Kreuzschmerzen. Diese variiert von 46 Prozent der in kurzer Teilzeit Beschäftigten, die davon berichten, bis zu den Spitzenreitern, den in überlanger Vollzeit ab 60 Stunden Beschäftigten mit 58 Prozent.

Innerhalb der überlangen Vollzeit ist, wie die baua betont, noch einmal ein starker Anstieg der körperlichen Erschöpfung, Niedergeschlagenheit, Schlafstörungen sowie Rücken- und Kreuzschmerzen ab 60 Wochenstunden gegenüber denjenigen unter 60 Stunden zu beobachten.

Am wenigsten Beschwerden würden von den Beschäftigten in kurzer Teilzeit berichtet. Auch bei moderater und langer Vollzeit fielen die gesundheitlichen Beschwerden geringer aus.

Ausreißer bei langer Teilzeit

Eine Ausnahme bilde die Gruppe der Beschäftigten in langer Teilzeit, von der relativ häufig gesundheitliche Beschwerden berichtet werden. Dieser Befund sei auch aus anderen Untersuchungen bekannt und lasse sich "unter anderem über Selbstselektionsprozesse sowie ein geschlechtsspezifisches Antwortverhalten" erklären.

Der Arbeitszeitreport beleuchtet auch das Thema Gesundheit mit Blick auf flexibles Arbeiten. Beschäftigte mit hohen betrieblichen Flexibilitätsanforderungen, wie etwa Arbeit auf Abruf, Rufbereitschaft oder kurzfristigen Änderungen ihrer Arbeitszeit, schätzten ihr gesundheitliches Befinden demnach tendenziell schlechter ein als andere Beschäftigte.

Umgekehrt zeige sich durchgängig, dass sich Einflussmöglichkeiten der Beschäftigten auf die Arbeitszeitgestaltung sowie Planbarkeit und Vorhersehbarkeit der Arbeitszeit positiv auf die Gesundheit auswirken.

"Die konkrete Ausgestaltung der flexiblen Arbeitszeiten im Zusammenspiel zwischen betrieblichen Anforderungen einerseits und Belangen der Beschäftigten andererseits erweist sich somit als eine der zentralen Stellschrauben für flexible und gesunde Arbeitszeitgestaltung", folgert die baua.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Der Gesundheitsdialog

© Janssen-Cilag GmbH

J&J Open House

Der Gesundheitsdialog

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

© Springer Medizin

Johnson & Johnson Open House-Veranstaltung am 26. Juni 2025 beim Hauptstadtkongress

Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
J&J Open House beim Hauptstadtkongress

© [M] Springer Medizin Verlag

Video zur Veranstaltung

J&J Open House beim Hauptstadtkongress

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Wissenschaft in Medizin übertragen

© Regeneron

Forschung und Entwicklung

Wissenschaft in Medizin übertragen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Regeneron GmbH, München
Arzneiforschung: Von Innovationen profitieren nicht nur Patienten, sondern immer auch die Gesellschaft als Ganzes.

© HockleyMedia24 / peopleimages.com / stock.adobe.com

Nutzenbewertung

Arznei-Innovationen: Investition mit doppeltem Nutzen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa)
Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

© Springer Medizin Verlag

Unternehmen im Fokus

Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Advanz Pharma GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Krebs in Deutschland

Bei zwei Krebsarten nahm die Sterblichkeit am stärksten ab

Lesetipps
Die Luftbelastung in Innenräumen mit Reinigungsprodukten betrifft jede Person. Sie beeinflusst unsere Lungenfunktion, und das lebenslang. Diese Gefahr wird unterschätzt. So die Meinung einer Pneumologin aus Italien.

© natali_mis / stock.adobe.com

Verschmutzte Luft

Was Reinigungsmittel in der Lunge anrichten können