Digitalisierung

Health-Apps: Kassen fahren mit angezogener Handbremse

NRW-Digital- und -Wirtschaftsminister Pinkwart will die politische Initiative ergreifen, damit Kassen in einer sehr frühen Phase bei Health-Start-ups einsteigen können. Das Digitale-Versorgung-Gesetz wird ihnen das nicht erlauben.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Diskutierten über E-Patientenakten und Apps auf Rezept: TK-Chef Dr. Jens Baas (l.) und NRW-Wirtschaftsminister Professor Andreas Pinkwart (r.).

Diskutierten über E-Patientenakten und Apps auf Rezept: TK-Chef Dr. Jens Baas (l.) und NRW-Wirtschaftsminister Professor Andreas Pinkwart (r.).

© Messe Düsseldorf, Constanze Tilllmann

Für Dr. Jens Baas, seines Zeichens Chef der Techniker Krankenkasse, hat das kürzlich vom Bundestag verabschiedete Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) einen großen Pferdefuß. Wie er bei der Medica am Montag zum Start des diesjährigen, von seiner Kasse ausgerichteten Medica Econ Forums betonte, treibe das DVG mit der dort verankerten ärztlichen Option, Gesundheits-Apps zu rezeptieren, sicher die Digitalisierung des Gesundheitswesens voran.

Den Kassen, die frühzeitig in Health-Start-ups investieren wollten, seien jedoch die Hände gebunden. Denn laut DVG dürften sie zwar Kapital in entsprechende Jungunternehmen investieren – allerdings dürften sie das Risiko des Totalverlustes nicht eingehen.

„Wir dürfen also erst in einer sehr späten Phase in solche Unternehmen investieren. Sinnvoller wäre es aber, wenn Kassen Start-ups frühzeitig unterstützen könnten, um Apps nach ihren Vorgaben entwickeln zu lassen. Dann wäre das wirkliches Wagniskapital“, so Baas.

Wagniskapital von den Kassen?

Bei Professor Andreas Pinkwart (FDP), in Nordrhein-Westfalen Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie, stieß Baas auf offene Ohren. „Es wäre in der Tat sinnvoll, wenn Kassen in einem frühen Stadium Wagniskapital in Start-ups investieren könnten, da dann auch das Know-how am Standort Deutschland aufgebaut werden könnte“, bekundete Pinkwart. Er versprach dem TK-Chef, sich mit NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) ins Benehmen zu setzen und eine entsprechende politische Initiative zu starten.

Den deutschen Ärzten attestierte Pinkwart, inzwischen sehr offen für die Digitalisierung des Gesundheitswesens zu sein. Hätten vor ein paar Jahren noch die Bedenken überwogen, so machten sich die Mediziner inzwischen konkrete Gedanken, wie und wo sie digitale Anwendungen im medizinischen Versorgungsalltag sinnvoll einsetzen könnten. Das gelte beispielsweise auch für den Einsatz von Diagnoseunterstützungslösungen auf Basis Künstlicher Intelligenz (KI).

TK-Chef Baas betonte, Ärzte würden inzwischen einen konkreten Mehrwert erkennen, den ihnen Lösungen wie zum Beispiel die ab 1. Januar 2021 kassenseitig obligatorische elektronische Patientenakte (ePA) bieten können. „Ärzte müssen nicht mehr jedem Befund hinterherrennen und sparen damit Kosten. Das ist ein klarer Mehrwert für die Praxischefs“, verdeutlichte Baas, der selbst Arzt ist und gerne auf das dokumentarische Chaos verweist, das zu seinen Klinikzeiten noch vorgeherrscht habe.

„Klar ist Ärzten aber auch, dass sie neben der ePA eine eigene Patientenakte in ihrer Praxis-EDV führen müssen“, ergänzte Baas. Bei dieser Gelegenheit verwies er auf ärztliche Bedenken, mit denen er im Zuge der vielen Diskussionen um Sinn oder Unsinn der elektronischen Patientenakte konfrontiert worden sei.

250.000 TK-Safe-Nutzer

„Viele Ärzte fragten, ob sie alle Befunde in einer ePA aus haftungsrechtlichen Gründen gelesen haben müssten“, so der TK-Chef. Hier könne ihnen eine sinnvolle KI-Lösung helfen, die wichtigsten Patienteninformationen im Blick zu haben.

Wie Baas abschließend erläuterte, meldeten sich derzeit täglich rund 500 Versicherte neu bei der „TK Safe“ genannten ePA der Kasse an – und das ohne große Werbeanstrengungen. So verzeichne TK-Safe bereits knapp 250.000 aktive Nutzer unter den TK-Versicherten. „Die Versicherten erkennen den Mehrwert dieser Lösung“. Schließlich erspare die ePA ihnen den Aufwand, sämtliche personenbezogenen Befunde zusammenzusuchen. Sinnvoll sei das auch mit Blick auf den Impfpass.

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