Impfstoff-Deal
Kasse hätte bei Vakzinen mehrere Optionen
Die Vergabekammer hat die Preisvereinbarung der AOK Nordost mit drei Apothekerverbänden zur Grippeimpfstoffversorgung 2018/19 für unzulässig erklärt. Zugleich sagt sie, wie es gehen könnte.
Veröffentlicht:BONN/BERLIN. Nachdem die Vergabekammer des Bundes die Festpreisvereinbarung der AOK Nordost über viervalenten Grippeimpfstoff gekippt hat (Az.: VK 2 - 30/18), fordert der Pharmaverband BPI jetzt ein generelles Ausschreibungsverbot für Impfstoffe.
Vize-Geschäftsführer Dr. Norbert Gerbsch: "Der Gesetzgeber muss dringend klarstellen, dass Ausschreibungsmodelle seinen Zielen einer stabilen Impfstoffversorgung und einer hohen Impfquote widersprechen".
Der BPI reagiert damit auf die Tatsache, dass die Vergabekammer der AOK zwar zur Last legt, eine öffentliche Beschaffung unter Umgehung vergaberechtlicher Anforderungen zu tätigen. Grundsätzlich seien Ausschreibungen jedoch zulässig. "Bei fortbestehender Beschaffungsabsicht", heißt es im Beschlusstext, werde der AOK Nordost "aufgegeben, ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren durchzuführen".
Selektivverträge impliziert keine Freistellung vom Vergaberecht
Ausdrücklich stellt die Kammer zudem fest, dass der für Selektivverträge zwischen Kassen und Apothekerschaft auf Landesebene einschlägige 5. Absatz des Paragrafen 129 SGB V "keine Freistellung vom Vergaberecht impliziert".
Ohne Ausschreibung dürfte die Kasse Rabatte oder Erstattungspreise nur dann vereinbaren, wenn sie keine Lenkung der Verordner auf das günstigste Produkt hin vornimmt; denn dann handelte es sich auch nicht um einen öffentlichen Auftrag. Im konkreten Fall jedoch würden die Ärzte auf das günstigste Produkt – nämlich das des Herstellers Mylan – schon allein dadurch gelenkt, dass "sich eben nicht alle Marktteilnehmer an der Liefervereinbarung beteiligen".
Dagegen hätten sich an vergleichbaren früheren Festpreisvereinbarungen der AOK Nordost zu trivalenten Grippeimpfstoffen immer alle Anbieter beteiligt; vergaberechtlich seien diese deshalb unproblematisch gewesen. Will die AOK weiterhin Vorteile beim Impfstoffeinkauf aushandeln, hätte sie laut Vergabekammer mehrere rechtskonforme Alternativen:
Sie könnte eine an Apotheken adressierte Ausschreibung starten. Wobei die Apotheken ihrerseits wieder nach Gutdünken Preisvereinbarungen mit Herstellern treffen könnten. Denn da Apotheken keine öffentlichen Auftraggeber seien, müssten sie auch keine Rücksicht auf vergaberechtliche Formalitäten nehmen.
Hersteller adressiertes Vergabeverfahren möglich
Die AOK könnte aber auch ein an Hersteller adressiertes Vergabeverfahren durchführen. Die mit dem Versorgungsstärkungsgesetz Mitte 2017 gestrichene Exklusivbindung der Impfstoffversorgung an die Produkte der jeweiligen Rabattpartner (so vordem in § 132e Absatz 2 SGB V formuliert) stellt nach Auffassung der Vergabekammer "jedenfalls kein vergaberechtliches ‚Ausschreibungsverbot‘ den Herstellern gegenüber" dar.
Will die Kasse keine konkrete Herstellerauswahl treffen, könnte sie auch ein Open-House-Verfahren wählen, bei dem sie dem Markt einseitig die Konditionen diktiert.
Trotz dieser Optionen zeigt sich die AOK Nordost mit dem Beschluss der Vergabekammer unzufrieden. Man bedauere die Entscheidung, heißt es, und werde prüfen, ob dagegen "Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt wird".