Binationaler Modellstudiengang

Keine Angst vor Patientenkontakt!

Seit 2012 läuft in Oldenburg ein Modellstudiengang für angehende Ärzte. Das Besondere: Er ist binational aufgebaut, und die künftigen Ärzte kommen früh mit Patienten in Kontakt.

Veröffentlicht:
Auf Station am Klinikum Oldenburg: Die Medizinstudenten Armin Timmermanns (l.) und Jan Liewig absolvieren im Rahmen ihrer Ausbildung Praktika in Deutschland und in den Niederlanden.

Auf Station am Klinikum Oldenburg: Die Medizinstudenten Armin Timmermanns (l.) und Jan Liewig absolvieren im Rahmen ihrer Ausbildung Praktika in Deutschland und in den Niederlanden.

© Carmen Jaspersen / dpa

OLDENBURG/GRONINGEN. An seinem ersten Tag als Medizinstudent in einer Oldenburger Klinik fiel der Niederländer Armin Timmermanns sofort auf. Er trug keine Turnschuhe wie die anderen Ärzte. Er wählte edle Schuhe zum Anzug, die seine Eltern extra für den Master in Medizin an der University of Groningen gekauft haben. So war er es aus seinem Heimatland gewohnt.

Die Wahl der Schuhe ist nicht der einzige Unterschied, der den Oldenburger und Groninger Studenten dank des Austauschs der European Medical School auffällt.

Die Medizinfakultät der Universität Oldenburg wurde 2012 gegründet und zählt heute rund 200 Studenten. Zu den 40 Erstsemesterstudenten, die jedes Jahr ihr Studium in Oldenburg aufnehmen, kommen ungefähr genau so viele niederländische Studenten von der University of Groningen. Sie werden rund ein Jahr in Oldenburg ausgebildet.

Der 23-jährige Student Timmermanns hat schon einige Stationen des Klinikums Oldenburg durchlaufen. Derzeit arbeitet er auf der Intensivstation. Durch seinen Aufenthalt konnte er Unterschiede in beiden Gesundheitssystemen kennenlernen – zum Beispiel in Sachen Hygiene.

"In den Niederlanden haben wir sehr wenige Krankenhausbakterien", sagt er. In dem Nachbarland werden Patienten viel früher und aufwendiger isoliert, um nosokomialen Infektionen vorzubeugen.

"Etwas von unschätzbarem Wert"

Die Groninger Studenten kommen immer im fünften Jahr ihres Studiums ins Nachbarland. Um dafür zugelassen zu werden, müssen sie Deutsch sprechen können. Auch die Oldenburger Studenten sind verpflichtet, ein Jahr in Groningen zu studieren.

Die Zusammenarbeit mit den Niederlanden bildet eine Besonderheit der European Medical School, die es den Angaben zufolge in keinem anderen Medizinstudiengang einer staatlichen Hochschule gibt. "Diese Flexibilität, mit anderen Systemen zurechtzukommen und da Erfahrungen zu sammeln, ist etwas, was einfach von unschätzbarem Wert ist", sagt die Dekanin der Fakultät, Martina Kadmon.

Da stimmt der 27 Jahre alte deutsche Student Jan Liewig zu. "Dadurch, dass ich einfach die Möglichkeit hatte, im europäischen Verbund in Groningen zu studieren, ist der Weg zurück ins Ausland keine große Hürde mehr", sagt der Student, der in seinem dritten Uni-Jahr in Groningen auf Englisch studierte.

In der niederländischen Studentenstadt hat der gebürtige Kölner nicht nur einen Einblick in ein anderes Gesundheitssystem bekommen, sondern auch in eine andere Universität. "Man lernt mal einen Hörsaal mit 300 Leuten kennen. Das gibt es hier nicht."

Dabei geht der Modellstudiengang auch neue Wege in Sachen Praxiserfahrung. "Das erste, was die Studenten in der allerersten Stunde hier sehen, ist ein Patient", sagt Kadmon. Nicht nur in den Veranstaltungen an der Universität kommen die angehenden Mediziner mit der Krankenhausrealität in Berührung, auch während ihrer Praxismonate in Krankenhäusern oder Arztpraxen haben sie mehr Patientenkontakt als andere Studenten.

Hoher Praxisanteil in Ausbildung

Liewig hat schon einige Stationen durchlaufen. Der hohe Praxisanteil soll die Studenten in der Ausbildung weiterbringen. "Meine Hoffnung ist, dass die vorher schon so viel von der Klinik gesehen haben, dass man ihnen wahrscheinlich deutlich mehr Verantwortung im praktischen Jahr geben kann", sagt Kadmon.

Denn die Studenten laufen nicht nur mit: Sie werden ins Team integriert, beobachten und bekommen Feedback. So konnte Timmermanns zum Beispiel schon öfter mit der Anamnese eines Patienten beginnen, bevor der Arzt hinzukam.

"Ich habe bisher keinen Patienten erlebt, der der ganzen Sache ablehnend gegenüberstand", sagt Liewig. Besonders wegen des Ärztemangels in Deutschland freuten sich die Patienten, wenn die Praxen sich um Nachfolger bemühen – egal, ob sie Turnschuhe oder anderes tragen. (dpa)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Sie fragen – Experten antworten

Welche Studien helfen im Umgang mit impfbesorgten Eltern?

Lipidtherapie

Erster oraler PCSK9-Hemmer Enlicitide senkt LDL-Cholesterin

Lesetipps
Blick in den Gang einer Notaufnahme.

© upixa / stock.adobe.com

Elektronische Patientenakte

So steht es um die ePA in den Krankenhäusern