Kapitalanlage
Klassische Investmentfehler – und wie sie zu vermeiden sind
Gewinne zu schnell realisieren, Verluste zu lange laufen lassen: Bei der Kapitalanlage begehen viele Sparer immer wieder dieselben Fehler. Dadurch verschenken sie jedes Jahr mehr als fünf Prozent Rendite.
Veröffentlicht:NEU-ISENBURG. Mehr als fünf Prozent Rendite lassen sich Anleger im Schnitt Jahr für Jahr entgehen. Das haben die Wirtschaftsprofessoren Andreas Hackethal und Steffen Meyer in einer Studie für das Magazin „Finanztest“ der Stiftung Warentest ermittelt. Dazu haben sie die Performance der Depots von fast 40.000 Direktbankkunden über einen Zeitverlauf von zehn Jahren analysiert.
Resultat: Während der Gesamtmarkt in dieser Zeit pro anno um 8,7 Prozent gewachsen ist, haben die privaten Investoren im Schnitt nur einen Jahresertrag von 3,1 Prozent erzielt.
Das Ergebnis der Studie birgt für Experten keine Überraschung. Sie wissen: Viele Anleger begehen immer wieder dieselben typischen Fehler. Der Grund dafür: „Unser Gehirn kennt aus der menschlichen Frühzeit jede Menge Psychotricks, die uns vor Gefahren und Verlusten schützen sollen“, sagt Thomas Buckard, Vorstand der Wuppertaler Vermögensverwaltung Michael Pintarelli Finanzdienstleistungen.
Doch was uns in der Steinzeit half, in Sekundenbruchteilen der Attacke eines Säbelzahntigers zu entgehen, taugt nicht bei Kapitalmarktinvestments. „An der Börse kommt es auf Disziplin an“, sagt Buckard.
Gewinne blenden Anleger
Die beiden größten Fehler, die Anleger immer wieder machen: Sie realisieren zu schnell Gewinne und lassen Verluste zu lange laufen. „Viele Anleger neigen dazu, erzielte Gewinne gleich zu sichern“, sagt Helge Müller, Chef-Investmentstratege der Genfer Vermögensverwaltung Genève Invest. „Sie verkaufen deshalb mitunter bereits Aktien, die sich nur geringfügig im Plus befinden.“
Damit würde zwar das Sicherheitsempfinden befriedigt, weil das investierte Kapital samt kleinem Gewinn nun wieder auf dem Girokonto liegt. Allerdings würden damit Chancen auf höhere Renditen vertan. Denn: Beginnt der Kurs einer Aktie zu steigen, hält dieser Trend meist längere Zeit an. „Anleger sollten deshalb gut laufende Positionen halten, bis das ursprünglich gesetzte Kursziel oder der von Analysten ermittelte faire Wert erreicht sind“, sagt Müller.
Umgekehrt verfahren viele private Investoren, wenn der Kurs einer erworbenen Aktie nicht steigt, sondern fällt. Weil sie sich nicht eingestehen wollen, eine Fehlentscheidung getroffen zu haben, halten sie an einem Papier fest, obwohl es immer mehr an Wert verliert. Zwar steht nicht zu erwarten, dass der Kurs einer heute erworbenen Aktie bereits morgen deutlich steigen muss. In schwachen Börsenphasen fallen häufig auch die Notierungen solider Werte vorübergehend.
Allerdings sollten Anleger unbedingt darauf achten, hohe Verluste zu vermeiden. Vorsicht ist insbesondere dann angesagt, wenn die Stimmung an den Börsen allgemein gut ist, aber der Kurs der einen speziellen Aktie gegen den Trend fällt.
„Investments, die deutlicher ins Minus rutschen, sollten besonders gründlich geprüft und im Zweifel verkauft werden“, rät Müller. „Ist eine Aktie um 20 Prozent gefallen, muss sie schon um 25 Prozent zulegen, damit keine Verluste entstehen – und bei einem 50-prozentigen Rückgang ist sogar eine Verdopplung erforderlich.“
An den Börsen gibt es keine linearen Trends. Wenn die Kurse ein paar Tage lang gestiegen sind, fallen sie anschließend meist wieder ein wenig, weil einige Investoren gleich Gewinne mitnehmen. Deshalb sollten Anleger langfristig investieren und nicht täglich auf die Kursbarometer schauen.
Portfolio muss reifen
„Ein Portfolio sollte wie ein lecker Kuchenteig Zeit haben, aufzugehen“, sagt Buckard. Dennoch sollten die einzelnen Positionen regelmäßig überprüft werden. Ein guter Zeitpunkt dafür ist das Frühjahr, wenn Unternehmen ihre Geschäftsberichte vorlegen. Sie zeigen, ob Umsatz- und Gewinnentwicklung wie erwartet verlaufen.
„Achten sollten Anleger dann darauf, ob sich die Rahmenbedingungen geändert haben“, sagt Buckard. In einem solchen Fall sollten die Papiere verkauft werden, um bislang erzielte Gewinne zu sichern und Verluste zu vermeiden.
Das gelte auch für sogenannte Lieblingsaktien, die Anleger vielleicht schon mehr als ein Jahrzehnt halten und die bislang gute Renditen erbracht haben. „Selbst das bequemste Paar Schuhe ist irgendwann mal durchgelaufen“, warnt der Experte davor, aus Sentimentalität an Werten festzuhalten, die ihren Ertragszenit überschritten haben.