Statistik

Korruption nimmt auch im Gesundheitswesen deutlich zu

Im Gesundheitswesen halten etwa doppelt soviele Leute die Hand auf, wie bereit sind, sie ihnen auch zu füllen. In Summe bleiben die Verdachtsfälle aber noch auf vergleichsweise niedrigem Niveau.

Christoph WinnatVon Christoph Winnat Veröffentlicht:
Seit 2016 sind Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen eigene Straftatbestände.

Seit 2016 sind Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen eigene Straftatbestände.

© granata68 / stock.adobe.com

Berlin. Das Bundeskriminalamt meldet eine deutliche Zunahme des deutschlandweiten Korruptionsgeschehens. Am Donnerstag veröffentlichte die Wiesbadener Behörde ihren jüngsten Report dazu („Bundeslagebild Korruption 2021“). Demnach war auch bei den gesundheitswirtschaftlich einschlägigen Straftatbeständen kräftiger Zuwachs zu verzeichnen.

Die Gesamtzahl der Verdachtsfälle erhöhte sich laut BKA im Berichtsjahr um knapp 35 Prozent auf 7433. Wobei die von den Ermittlern errechnete Schadensumme um 25 Prozent auf 61 Millionen Euro zurück ging. Kaum quantifizierbar, heißt es, seien die immateriellen Schäden, aus korruptiven Handlungen – Vertrauensverlust in Staat und Wirtschaft – , die gleichwohl „nicht zu vernachlässigen“ seien.

Kein einziger besonders schwerer Fall im Gesundheitswesen

Die am häufigsten von Korruption betroffene Branche war den Angaben zufolge das Baugewerbe. Die Anzahl der besonders schweren Fälle von Bestechung und Bestechlichkeit (§ 300 StGB) hat sich von 113 (2020) auf 1324 vervielfacht. Für das Gesundheitswesen wurden diesmal jedoch keinerlei schweren Fälle gezählt; im Vorjahr waren es auch lediglich zwei.

Der Verdacht auf „Bestechlichkeit im Gesundheitswesen“ (§ 299a StGB, fordern und annehmen) wurde von den ermittelnden Polizeibehörden 393 mal registriert (2020: 165 Fälle). Der komplementäre Sachverhalt „Bestechung im Gesundheitswesen“ (§ 299b StGB, anbieten und gewähren) wurde 172 mal gemeldet (2020: 46 Fälle).

„Mitursächlich für diese Anstiege“, erläutert das BKA, „sind umfangreiche Ermittlungen in Bayern und Brandenburg, jeweils im Zusammenhang mit dem Handel mit Medizinprodukten“. Diese Sachverhalte stünden allerdings „nicht in direktem Zusammenahng mit der COVID-19-Pandemie“.

Zyto-Ka­rus­sell mit MVZ-Gerüst

Besonders hervorgehoben werden unter dem Rubrum „Gesundheitswesen“ elf Fälle, in denen Ärzte ihre Praxen und Kassenzulassungen an einen namentlich nicht genannten „Konzern“ verkauft hatten. Anschließend wandelte dieser die Praxen in Medizinische Versorgungszentren um, in denen die abgebenden Ärzte angestellt weiter gearbeitet hätten.

Sodann hätten sie „diesem Konzern Verordnungen für teure Spezialmedikamente sowie deren Zubereitung zugewiesen“ – nach diesem Wording drehte sich die Sache um Zytostatika.

Im Gegenzug hätten die Ärzte Beraterleistungen und Studientätigkeiten mit dem Konzern abgerechnet. Auf diese Weise seien „mindestens 16,5 Millionen Euro“ an Kickback-Zahlungen geflossen; die endgültige Summe sei noch nicht bekannt.

Die Tatbestände Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen sind vergleichsweise jung. Sie wurden erst 2016 ins Strafgesetzbuch aufgenommen.

Auch das könnte eine Erklärung für den jetzt sprunghaften Anstieg sein, insofern sich bei den Strafverfolgungsbehörden erst einmal ein Bewusstsein für das neue Instrumentarium hat ausprägen müssen.

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