Hintergrund
Landärzte aus Leidenschaft
Die beiden Landärzte Christiane Schmitz-Boye und Dr. Johannes Gerber gehen ihrem Beruf aus tiefster Überzeugung nach. An der Uni Kiel warben sie vor Medizinstudenten für ihre Profession - und lieferten auch ehrliche Antworten auf kritische Fragen.
Veröffentlicht:Sie stammt aus Bremen, hat in Berlin studiert und hielt Hamburg früher für die Grenze nach Dänemark. Dass sie in der Region dazwischen jemals als Landärztin arbeiten könnte, war für Christiane Schmitz-Boye früher undenkbar.
Dass Dr. Johannes Gerber Landarzt geworden ist, ist dagegen keine Überraschung. Sein Vater hat eine alteingesessene Praxis auf der Insel Fehmarn über Jahrzehnte geführt und ist heute sein Seniorpartner.
So unterschiedlich Gerber und Schmitz-Boye zu ihrer Tätigkeit kamen, eines haben sie gemeinsam: Sie sind gerne Landarzt und vermitteln dies Medizinstudenten in einer Sprechstunde an der Kieler Uni mit hoher Überzeugungskraft.
Fragen betreffen vor allem den Praxisalltag
Wie ist das mit der Weiterbildung, was muss ich in eine Praxis investieren, kann man sich auch Urlaub erlauben? Die Fragen der Medizinstudenten im Hörsaal der Kieler Chirurgie waren so gezielt, als würden sie morgen mit der Niederlassung starten. Rund 40 Studenten, die mitten im Medizinstudium stehen, waren gekommen.
Vor ihnen standen zwei Landärzte als Botschafter ihrer Tätigkeit. Die beiden berichteten ohne Verklärung und ließen auch die unangenehmen Seiten des Berufes nicht weg. Eine davon ist der auch körperlich anstrengende Praxisalltag.
Unter dem Strich aber vermittelten beide ein positives Bild ihrer Tätigkeit, ohne dass sie vorher gesichtet oder von der KV in eine bestimmte Richtung gedrängt wurden.
Seit 18 Jahren niedergelassen
Die praktische Ärztin Schmitz-Boye kann aus der Erfahrung einer 18-jährigen Niederlassung schöpfen und glaubhaft vermitteln: "Ich habe meinen Platz im Leben gefunden." Dass gerade der Start in die Niederlassung nicht leicht war, verschweigt sie nicht.
Ihre Berliner Kommilitonen hätten entsetzt reagiert, als sie von ihrem Entschluss gehört hätten. Und im nordfriesischen Hollingstedt hätten es ihr nicht alle leicht gemacht. Es sei schon mal vorgekommen, dass Patienten die zeitliche Abgrenzung zum Privatleben nicht akzeptierten.
Im Extremfall einen Arztwechsel empfehlen
Schmitz-Boye machte ihren Patienten klar, dass sie Freizeit braucht. "Man muss allerdings auch bereit sein, Tacheles zu reden", empfahl Allgemeinmediziner Gerber zu diesem Thema.
Wer auch Klartext nicht versteht, muss mit den Konsequenzen leben - im Extremfall empfiehlt er einem Patienten auch einen Arztwechsel. Den überraschten Studenten erklärte Schmitz-Boye dazu: "Wir können uns das leisten."
Beide Ärzte rühmten das breite Spektrum der landärztlichen Tätigkeit: von der Geburt bis zum Totenschein ist alles dabei. Das heißt aber nicht, dass man alles machen muss und auf sich allein gestellt ist. "Wer keine Lust auf Chirurgie hat, kann überweisen", sagt Schmitz-Boye. Gerber erlebt, dass ein Landarzt alle Sorgen und Nöte der Patienten mitbekommt - er ist auch als Seelsorger und Tröster gefragt.
Wachsames Auge ruft die Kripo auf den Plan
Die enge Beziehung zum Patienten ist Segen und Fluch zugleich, wie er an einem Beispiel schilderte. Als er den Totenschein für eine Patientin ausstellen soll, entdeckt er ein verdächtiges Hämatom und muss die Kriminalpolizei einschalten.
Es stellt sich heraus, dass der Ehemann - ebenfalls über Jahrzehnte Patient in der Praxis - bei einer Handgreiflichkeit zwischen den Ehepartnern Mitschuld am Sturz trägt, der schließlich zum Tod geführt hat.
Praxisinhaberin und Mutter
"Und wie ist es mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie", will eine Studentin wissen. Gerber kann auf eine Weiterbildungsassistentin in seiner Praxis verweisen, die als Mutter in Teilzeit arbeitet und beides unter einen Hut bringt.
Schmitz-Boye hat als Praxisinhaberin ihre Kinder groß gezogen und mit externer Hilfe den Alltag gemeistert. Sie räumte ehrlich ein: "Als berufstätige Mutter kämpft man immer auch gegen ein schlechtes Gewissen. Aber es gibt für alles eine Lösung."
Die kann auf dem Land ganz pragmatisch ausfallen: Ihr kleiner Sohn hat sie eine Zeitlang auf den Hausbesuchen begleitet - die älteren Patienten erinnern sich noch heute gern daran.