Bilanz 2018

Merck mit Sondergewinn und „Luxusproblem“

2018 war für Merck ein „Jahr des Übergangs“. Wichtige Zulassungstermine in den USA entscheiden demnächst über den Markterfolg der jüngsten Pharma-Innovationen.

Christoph WinnatVon Christoph Winnat Veröffentlicht:
Tablettenproduktion beim ältesten Pharmaunternehmen der Welt.

Tablettenproduktion beim ältesten Pharmaunternehmen der Welt.

© Tobi Bohn

DARMSTADT. Der Verkauf seines OTC-Geschäfts („Consumer Health“) an Procter & Gamble bescherte der Merck KGaA zum 350. Jubiläum ein zweistelliges Überschusswachstum.

Operativ war 2018 allerdings ein „Jahr des Übergangs und der Investitionen“, wie Konzernchef Stefan Oschmann zur Bilanzvorlage am Donnerstag in Darmstadt betonte.

Vor allem der zum Euro wieder abwertende Dollar aber auch Vergleichseffekte, etwa aus dem Verkauf des Biosimilargeschäfts an Fresenius in 2017, kratzten an den Zahlen. Die Konzerneinnahmen kletterten bereinigt um den Umsatzbeitrag der veräußerten Consumer-Sparte um 2,2 Prozent auf 14,8 Milliarden Euro.

Im Heimatmarkt Deutschland wurden 1,4 Milliarden Euro erlöst (-0,6 Prozent). Der operative Konzerngewinn (EBITDA) verringerte sich um 15 Prozent auf 3,5 Milliarden Euro, während der Nettogewinn einschließlich des Sparten-Verkaufserlöses mit 3,4 Milliarden Euro knapp 30 Prozent über Vorjahr lag.

Der Hauptversammlung am 26. April werde eine mit 1,25 Euro je Aktie unveränderte Dividende vorgeschlagen, kündigte Oschmann an.

Großes Potenzial der neuen Hoffnungsträger

Merck 2018

  • Umsatz: 14,8 Mrd. Euro (+2,2 %). Davon Pharma: 6,3 Mrd. (+0,9 %); Laborausrüstung: 6,2 Mrd. (+5,2 %), Halbleitermaterialien und Flüssigkristalle: 2,4 Mrd. (-1,7 %)
  • Überschuss: 3,37 Mrd. Euro (+29,5 %)
  • Mitarbeiter: weltweit 51.713, davon 13.513 in Deutschland

Im Geschäft mit verschreibungspflichtigen Originalia („Healthcare“) verbesserten sich die Einnahmen um lediglich 0,9 Prozent auf 6,3 Milliarden Euro. Zu konstanten Wechselkursen hätte sich hier ein Zuwachs um 5,2 Prozent ergeben, heißt es.

Die neuen Hoffnungsträger, der PD-L1-Antikörper zur Krebsimmuntherapie Avelumab (Bavencio®) und die orale MS-Therapie Cladribin (Mavenclad®), hätten bereits „erheblich“ zum Wachstum beigetragen.

Allerdings sind beide Produkte mit zusammengenommen rund 160 Millionen Euro Umsatzbeitrag in 2018 noch weit von ihrem Spitzenpotenzial entfernt. Bis 2022, so hatte Konzernchef Oschmann bei einem früheren Analystenmeeting angekündigt, sollen beide Produkte gemeinsam um die zwei Milliarden Euro pro anno bringen.

Was nicht zuletzt von den weiteren Zulassungserfolgen in den USA abhängt. 2019 dürfte diesbezüglich eine wichtige Etappe darstellen.

In den kommenden Wochen wird die US-Oberbehörde FDA über Mavenclad® befinden; wie aus gut unterrichteten Kreisen verlautet, könnte die Marktfreigabe schon Ende März erfolgen. Ende Juni rechnet Oschmann mit einem FDA-Votum zu Avelumab gegen Nierenkrebs; bisher ist der Checkpointhemmer, den Merck in Allianz mit Pfizer entwickelt, nur gegen metastasierendes Merkelzellkarzinom zugelassen.

Merck habe derzeit das „Luxusproblem einer vollen Pipeline“, beschied Oschmann Nachfragen nach dem Stellenwert des im internationalen Vergleich höchstens mittelgroßen Pharmageschäfts. Man müsse Projekte priorisieren oder Partner gewinnen, wie kürzlich etwa GlaxoSmithKline für den vielversprechenden bifunktionalen Antikörper M7824 (Bintrafusp alfa), mit dem dieses Jahr gleich acht klinische Studienprojekte starten sollen.

Als weitere aussichtsreiche Pipelinekandidaten nannte Oschmann den MET-Inhibitor Tepotinib, der gegen nicht kleinzelliges Lungenkarzinom entwickelt wird sowie den Brutontyrosinkinasehemmer Evobrutinib, für den unlängst positive Phase-II-Daten gegen schubförmige MS mitgeteilt wurden.

Cladribin und Avelumab seien „nur der Anfang“ gewesen, so Oschmann. „In unserer Pipeline steckt noch viel Potenzial und das wollen wir heben“.

Offener Brief an Versum-Aktionäre

Doch nachdem sich Ende Februar die Darmstädter auf einen Bieterstreit um den US-amerikanischen Halbleiterzulieferer Versum Materials eingelassen haben, steht derzeit weniger das forschende Pharmageschäft im Mittelpunkt des Medieninteresses an Merck, als vielmehr deren deutlich kleinere Sparte „Performance Materials“ (Flüssigkristalle und Halbleiter-Materialien).

Die Sparte schwächelt seit geraumer Zeit. Auch 2019 werde deren Profitabilität noch einmal zurückgehen, kündigte Oschmann an.

Mit Versum will Merck seine Marktposition stärken und bietet 5,2 Milliarden Dollar in bar. Die Amerikaner jedoch ignorieren bislang die Offerte und halten an einer zuvor bereits vereinbarten Fusion mit dem ebenfalls auf Halbleitermaterialien spezialisierten Chemiekonzern Entegris fest.

Deshalb hatte sich Merck am Dienstag in einem offenen Brief an die Versum-Aktionäre gewandt, um die Vorteile einer Firmenehe darzulegen. Doch ob Merck darauf irgendeine Reaktion erhalten hat und ob notfalls auch eine feindliche Übernahme in Erwägung gezogen wird, wollte Oschmann am Donnerstag nicht sagen.

Die Konzernprognose 2019: Der Umsatz soll organisch leicht zulegen. Jedoch wird zugleich auch mit „leichten negativen Währungseinflüssen“ gerechnet. Der Betriebsgewinn soll zu unveränderten Wechselkursen um mehr als zehn Prozent zulegen.

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