Mannheim

Mildes Urteil für Maler mit erschlichener Approbation

Das Amtsgericht Mannheim verurteilt einen Maler und Lackierer, der zwei Jahre als Arzt praktizierte.

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Der angeklagte Maler hatte sich eine Praxis in Mannheim – unweit des Gerichts – eingerichtet und kassierte von der KV in zwei Jahren 111.000 Euro Honorar für seine "ärztlichen" Leistungen.

Der angeklagte Maler hatte sich eine Praxis in Mannheim – unweit des Gerichts – eingerichtet und kassierte von der KV in zwei Jahren 111.000 Euro Honorar für seine "ärztlichen" Leistungen.

© Ralf Geithe / stock.adobe.com

MANNHEIM. Mit gefälschten Urkunden hat sich ein 38-Jähriger die Approbation als Arzt und Psychologe erschlichen. Studiert hat der Deutsch-Ungar jedoch in seinem Leben noch nie. Von Beruf ist er Maler und Lackierer. Das Mannheimer Amtsgericht verurteilte ihn jetzt zu zwei Bewährungsstrafen. Der Angeklagte habe sich unberechtigt als „Dr. med. Dipl.-Psych.“ in Mannheim niedergelassen , sagte der Vorsitzende Richter Michael Eichhorn und sprach von einem „Vertrauensmissbrauch“ gegenüber den Patienten.

Die seien davon ausgegangen, dass der Mann über die nötige Qualifikation verfüge. Die Patienten seien aber „nicht völlig unzufrieden“ mit dessen Arbeit gewesen, so der Richter. Keiner habe Strafanzeige gegen den falschen Doktor und Psychotherapeuten gestellt. Das Fachwissen habe er sich „angelesen und Fortbildungen besucht“, berichtete der Angeklagte. Und von seinen Patienten ein „gutes Feedback“ erhalten.

Es gebe „keinen Hinweis“, dass sein Mandant einen Schaden verursacht habe, so Verteidiger Wolfgang Stahl. Die Praxis für Psychosomatik und Psychotherapie, Kinder- und Jugendpsychotherapie lag in der Mannheimer Innenstadt – ganz in der Nähe des Gerichts. Von 2015 bis 2016 erhielt der Angeklagte Honorare von der Kassenärztlichen Vereinigung in Höhe von 111.000 Euro.

Gefälschte Urkunde über Psychologiestudium

Um seine Approbation in Deutschland zu erlangen, hatte er gefälschte Urkunden einer ungarischen Universität vorgelegt. Demnach hat er ein Psychologiestudium sowie eine Ausbildung zum Kinder- und Jugendpsychotherapeuten abgeschlossen. Zudem kaufte er sich eine gefälschte Promotionsurkunde, die ihn als Doktor der Medizin auswies. Insgesamt habe er 7000 Euro hierfür bezahlt, versicherte der Angeklagte.

Das Gericht befand ihn jetzt der Urkundenfälschung, des Betruges sowie des Missbrauchs von Titeln und Berufsbezeichnungen für schuldig. Richter Eichhorn geht von einer „positiven Sozialprognose“ aus. Der Angeklagte habe sein Leben „grundlegend geändert“ und arbeite jetzt als Rettungssanitäter in Berlin. Diese Ausbildung hat er tatsächlich absolviert. Jetzt sitze er auf einem Schuldenberg.

Denn die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg verlangt die zu Unrecht gezahlten Honorare zurück. Davon sei „so gut wie nichts übrig geblieben“, so der Angeklagte. Er habe damals Steuern entrichtet und Mitarbeiter bezahlt. Ein Vergleich mit der KV sei gescheitert, bedauerte sein Verteidiger.

Der Mann ist bereits wegen Urkundenfälschung verurteilt worden. So hatte er 2015 in einem anderen Bundesland eine gefälschte Approbationsurkunde vorgelegt. Im April 2016 erhielt er deshalb einen Strafbefehl über 6400 Euro. Zu einem Zeitpunkt als er bereits in Mannheim in seiner Praxis tätig war. Dennoch machte er noch weiter, bis der Betrug aufflog.

Die Mannheimer Richter verurteilten den Angeklagten jetzt zu zwei gesonderten Bewährungsstrafen. Einmal zu 15 Monaten und einmal zu 22 Monaten. Aus formaljuristischen Gründen konnte daraus keine Gesamtstrafe gebildet werden. Das Urteil ist rechtskräftig.

Falscher Arzt – kein Einzelfall

Der Mann wurde 1980 in Ungarn geboren. Sein Leben nach dem Tod seines Vaters sei für ihn „eine reine Katastrophe“ gewesen. Als Jugendlicher zog er mit Mutter und Stiefvater nach Deutschland. Er habe nur schwer Fuß gefasst und „einen Fehler nach dem anderen begangen“. Als ihm in Ungarn gefälschte Studienabschlüsse angeboten wurden, habe er sich gerade finanziell in einer „ausweglosen Lage“ befunden.

Der in Mannheim verhandelte Fall ist keineswegs einzigartig. Immer wieder gelingt es Möchtegernmedizinern, ohne Zulassung als Arzt zu arbeiten. Das wohl bekannteste Beispiel ist der Fall des Postzustellers und Hochstaplers Gert Postel. Der machte zunächst als Dr. Dr. Bartholdy Karriere. So wurde er nach verschiedenen Anstellungen 1982 stellvertretender Amtsarzt in Flensburg.

Als dies aufflog, kam er mit einer einjährigen Bewährungsstrafe davon und schrieb über seine Zeit als Amtsarzt ein Buch. Nach seiner Haftentlassung konnte er als Gast in etlichen TV-Sendungen seine Geschichte immer wieder aufs Neue erzählen. (uw)

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