Patienten im Netz

Offenheit zwischen Arzt und Patient hilft weiter

Das Internet macht die Beziehung zwischen Arzt und Patient kompliziert. Das Problem: Der Arzt weiß nicht, wie gut sein Patient über das Netz informiert ist. Und der Patient fürchtet oft, der Arzt könnte seine Recherchen missbilligen. Eine Studie versucht, Licht ins Dunkel zu bringen.

Hauke GerlofVon Hauke Gerlof Veröffentlicht:

NEU-ISENBURG. Immer mehr Patienten suchen im Netz nach Informationen zu Gesundheitsthemen. Jedoch können viele von ihnen die Informationen, die sie dort finden, aufgrund fehlender Gesundheitskompetenz nicht richtig einordnen.

Auch aus diesem Grund versuchen das Bundesgesundheitsministerium (BMG) und private Initiativen, die Gesundheitskompetenz der Bürger zu stärken. Erst kürzlich, am 19. Februar 2018, haben der AOK-Bundesverband, die Universität Bielefeld, die Hertie School of Government und die Robert Bosch Stiftung mit Unterstützung des BMG den Nationalen Aktionsplan Gesundheitskompetenz ins Leben gerufen.

Wie Informationen und die Nutzung sozialer Medien zu Gesundheitsthemen die Beziehung zwischen Ärzten und Patienten beeinflusst, hat die BertelsmannStiftung in einer Studie untersucht, die vor Kurzem veröffentlicht worden ist. Unter anderem ergab eine repräsentative Umfrage, dass die Patienten bei Gesundheitsrecherchen im Internet überwiegend zufrieden sind.

Probleme bei der Einordnung

Allerdings zeigte die Studie auch, dass unabhängige Angebote im Netz wie der Krebsinformationsdienst nicht als vertrauenswürdiger bewertet werden als zum Beispiel das Alternativmedizin-Portal "Zentrum der Gesundheit". Die selbstständige Einordnung der Informationen fällt den Patienten also schwer.

Gleichzeitig ergeben sich Komplikationen in der Arzt-Patienten-Beziehung: Laut Studie verhalten sich Patienten teilweise strategisch, wenn es darum geht, mit ihrem Arzt über ihre Internet-Recherchen zu sprechen: 30 Prozent der Patienten, die im Internet nach Informationen gesucht haben, haben dies ihrem Arzt schon mal verschwiegen.

Viele wollen laut Studie zunächst die Reaktion des Arztes auf selbst recherchierte Informationen abwarten, jeder Vierte von ihnen fürchtet sogar, der Arzt könnte sich darüber ärgern.

Hier wird die Sache teilweise kompliziert, denn die Selbstwahrnehmung der Ärzte differiert offenbar nicht selten mit der Fremdwahrnehmung der Patienten: So sagen 62 Prozent der Patienten laut Umfrage, der Arzt habe sich über die Information auf Eigeninitiative gefreut. Hingegen sagen sogar 81 Prozent der Ärzte laut Gesundheitsmonitor 2016, sie hätten sich darüber gefreut.

Fast 30 Prozent der Ärzte sagten, sie hätten sich bereits über eine Selbstinformation des Patienten geärgert – aber nur 18 Prozent der Patienten haben einen solchen Ärger wahrgenommen. Ärzte behalten also offenbar ihre Freude, aber auch ihren Ärger teilweise für sich.

Ärzte versorgen Patienten mit Infos

Die Studie der BertelsmannStiftung zeigt auch, dass viele Ärzte den Umgang mit "Dr. Google" aktiv angehen. 55 Prozent der befragten Ärzte sagen, Sie geben Patienten vertrauenswürdige Materialien mit nach Hause – allerdings bestätigen nur 43 Prozent der Patienten ein solches Vorgehen.

Etwa jeder zweite Arzt gibt laut Umfrage Hinweise auf gute Infoquellen, 40 Prozent der Patienten fühlen sich von solchen Hinweisen auch erreicht.

Immerhin fast jeder dritte Arzt ermutigt Patienten, sich selbstständig über die eigene Erkrankung zu informieren, allerdings fühlt sich nur jeder fünfte Patient tatsächlich von seinem Arzt ermutigt. Allerdings raten laut Gesundheitsmonitor 2016 auch nur 21 Prozent der Ärzte Patienten aktiv davon ab, in Eigeninitiative nach Informationen zu suchen.

Und mehr als jeder vierte Arzt fragt seine Patienten in der Anamnese aktiv nach Vorinformationen durch Eigenrecherche.

Die Wahrnehmung der Patienten differiert allerdings auch hier: Nur 14 Prozent von ihnen berichten laut Umfrage darüber, von ihrem Arzt nach Vorinformationen gefragt zu werden.

Dr. Google: Tipps für die Praxis

Die Studienautoren leiten aus den Umfrageergebnissen Handlungsempfehlungen für Ärzte ab:

Beratung: Ärzte sollten Patienten bei der Suche nach Gesundheitsinformationen unterstützen und beraten. Nützlich ist es, verständliche und vertrauenswürdige Informationsangebote zu kennen, um diese weiterempfehlen zu können.

Sprechende Medizin: Um die Rolle als persönlicher Berater auch wahrnehmen zu können, benötigen Ärzte mehr Zeit für ihre Patienten.

Ermutigung: Patienten sollten aktiv ermutigt werden, ihrem Arzt Fragen zu stellen und die Ergebnisse der eigenen Informationssuche mit ihm zu besprechen.

Fehlinformationen: Der offene Umgang mit Informationen aus dem Internet hilft, Fehlinformationen aufzuspüren und Patienten gegenüber zu berichtigen.

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