Pfusch bei Piercing & Co.: Wer zahlt?

Wenn es nach einem Piercing oder einem Tattoo zu Komplikationen kommt, sind Ärzte gefragt. Doch wer bezahlt dann? Laut Gesetz sollen die Patienten in "angemessener Weise" an den Folgekosten beteiligt werden. Umstritten ist, was das bedeutet.

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Piercing mit Folgen? Auf der sicheren Seite sind Ärzte, wenn sie die Folgebehandlung zunächst mit dem Patienten privat abrechnen.

Piercing mit Folgen? Auf der sicheren Seite sind Ärzte, wenn sie die Folgebehandlung zunächst mit dem Patienten privat abrechnen.

© imago/Kolvenbach

Von Frank A. Stebner

SALZGITTER. Die Zahl der Schönheitsoperationen nimmt immer weiter zu. Auch sie sind ein Eingriff in den Körper, und wie bei jeder anderen Op können Komplikationen auftreten. Vertragsärzte müssen dann entscheiden, ob Folgebehandlungen privat sind und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt werden dürfen.

Krankenkasse muss sich an Nachbehandlungskosten beteiligen

Wer die Kosten der Folgebehandlung bei Kassenpatienten trägt, richtet sich nach Paragraf 52, Absatz 2 SGB V: "Haben sich Versicherte eine Krankheit durch eine medizinisch nicht indizierte ästhetische Operation, eine Tätowierung oder ein Piercing zugezogen, hat die Krankenkasse die Versicherten in angemessener Höhe an den Kosten zu beteiligen und das Krankengeld für die Dauer dieser Behandlung ganz oder teilweise zu versagen oder zurückzufordern."

Darf der Arzt die Versichertenkarte aufgrund dieser gesetzlichen Regelung annehmen? Es besteht Uneinigkeit darüber, was eine Beteiligung der Versicherten in angemessener Höhe bedeutet. Die Ansichten reichen von Leistungsversagung bis hin zur vollständigen Kostenübernahme.

Schriftliche Entscheidung der Kasse vor Behandlung

Für die Nachbehandlungskosten ist daher eine Einzelfallentscheidung der Krankenkassen erforderlich. Wegen der Unsicherheiten sollten Kassenpatienten auch in der Nachbehandlung privat therapiert werden und nicht per Versichertenkarte. Alternativ sollte eine schriftliche Entscheidung der Kasse vor der Behandlung durch die Patienten vorgelegt werden, damit die Behandlung per Versichertenkarte erfolgen kann.

Ohne Kassenbestätigung können Patienten die Privatrechnung bei ihren Krankenversicherungen einreichen und versuchen, zumindest einen Teil der Kosten erstattet zu bekommen.

Bei Komplikationen - AU vom Arzt oder Erholungsurlaub

Sind die Komplikationen nach einer Schönheits-Op so gravierend, dass der Kassenpatient seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann, stellt sich sodann die Frage, ob der Arzt ihm eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) ausstellen kann.

In der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses ist geregelt, unter welchen Voraussetzungen eine AU auszustellen ist. Nach Paragraf 3 soll eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung "bei kosmetischen und anderen Operationen ohne krankheitsbedingten Hintergrund und ohne Komplikationen" nicht erfolgen.

Bei einer Nachbetreuung aufgrund einer ästhetischen Operation ohne krankheitsbedingten Hintergrund und ohne Komplikationen liegt eine Arbeitsunfähigkeit im Sinne der obigen Richtlinie also nicht vor. Der Arzt darf in diesem Fall keine AU ausstellen, sondern der Patient muss Erholungsurlaub nehmen.

Dr. Frank A. Stebner ist Fachanwalt für Medizinrecht in Salzgitter.

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