Bundesverfassungsgericht
Tierarztvorbehalt für Humanhomöopathika ist unverhältnismäßig
Wer seinem Tier Kügelchen geben will, die nur zur Anwendung am Menschen erhältlich sind, kann das auch weiterhin ohne tierärztliche Verordnung tun.
Veröffentlicht:Karlsruhe. Der seit Januar geltende Tierarztvorbehalt bei der Anwendung auch nicht verschreibungspflichtiger Humanarzneimittel bei Tieren muss eine Ausnahme erhalten. Denn bei homöopathischen Arzneimitteln ist dies unverhältnismäßig und daher verfassungswidrig, wie das Bundesverfassungsgericht jetzt entschied.
Es gab damit den Beschwerden dreier Tierheilpraktikerinnen und einer Tierhomöopathin statt. Sie behandeln seit vielen Jahren Hunde, Katzen und andere Tiere mit hochpotenzierten humanhomöopathischen Arzneimitteln.
Nach dem am 28. Januar in Kraft getretenen, neuen Tierarzneimittelgesetz dürfen jedoch nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nur noch dann bei Tieren angewendet werden, wenn sie zuvor von einem Tierarzt verordnet wurden.
Grundsätzlich sei dies zwar legitim, bei Humanhomöopathika aber unverhältnismäßig, entschied nun das Bundesverfassungsgericht. Bei den Beschwerdeführerinnen greife die Regelung erheblich in die Berufsfreiheit ein. Ihre bisherige Tätigkeit sei dadurch „ganz weitgehend nicht möglich“.
Keine Anhaltspunkte für Schädlichkeit
Demgegenüber sei die Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung des Tierwohls gering. „Die Anwendung registrierter Humanhomöopathika ist – ob an Menschen oder an Tieren – in der medizinischen Wissenschaft und Praxis nicht neu. Die Ausgangsstoffe sind seit langem bekannt und in hochpotenzierter Verdünnung ohne wissenschaftlich nachweisbare Wirkung“, heißt es in dem Karlsruher Beschluss. Umgekehrt gebe es aber auch für ihre Schädlichkeit keinerlei Anhaltspunkte.
Risiken bestünden letztlich nur darin, dass Tierhalter keinen Tierarzt aufsuchen. Dem könne der Staat mit einer Pflicht zum Nachweis von Kenntnissen im Bereich der Tierheilkunde begegnen. Des Weiteren verwies das Verfassungsgericht auf die im Tierschutzgesetz festgeschriebenen Pflichten für Tierhalter und -betreuer. Diese müssten wenn nötig einen Tierarzt aufsuchen.
Laut Karlsruhe verstößt es daher ebenso gegen die Grundrechte, dass der Tierarztvorbehalt auch auf Tierhalter selbst zielt. Weil hier nicht die Berufsfreiheit betroffen ist, sei der Eingriff in die Grundrechte zwar geringer. Gleichzeitig seien die Tiere aber durch die gesetzliche Fürsorgepflicht der Halter ohnehin besser geschützt. (mwo)
Bundesverfassungsgericht, Az.: 1 BvR 2380/21 und 1 BvR 2449/21#