Künstliche Intelligenz

Von der Leyen setzt auf Tempo und rote Linien

Die EU-Kommission will beim Thema Künstliche Intelligenz mit USA und China mithalten – und konkretisiert ihre Digitalstrategie.

Von Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
 Im neuen „Weißbuch Künstliche Intelligenz“ werden die europäischen KI-Forscher aufgefordert, mehr Synergien und Netzwerke aufzubauen, um Europas KI-Exzellenz zu verbessern.

Im neuen „Weißbuch Künstliche Intelligenz“ werden die europäischen KI-Forscher aufgefordert, mehr Synergien und Netzwerke aufzubauen, um Europas KI-Exzellenz zu verbessern.

© PhonlamaiPhoto / Getty Images / iStock

Brüssel. Europa kann es sich nicht länger leisten, in puncto Künstlicher Intelligenz (KI) eine fragmentierte Landschaft von Kompetenzzentren zu haben, wenn es mit den globalen KI-Forschungseinrichtungen und kommerziellen Anbietern – vor allem aus China und den USA – mithalten will.

In einem am Mittwoch von der EU-Kommission in Brüssel vorgelegten „Weißbuch Künstliche Intelligenz“ werden die europäischen KI-Forscher aufgefordert, mehr Synergien und Netzwerke aufzubauen, um Europas KI-Exzellenz zu verbessern.

„Europa braucht ein Leuchtturmzentrum für Forschung, Innovation und Expertise, das alle Forschungsanstrengungen koordiniert und als europäische KI-Exzellenz-Referenz fungiert“, heißt es im Weißbuch.

Daten sollen schneller fließen

Europa habe das Potenzial bei KI-Anwendungen in verschiedenen Segmenten globaler Champion zu werden – explizit wird hier der Gesundheitssektor genannt.

Der EU-Kommission ist vor allem an einem gelegen: Daten sollen schneller fließen und besser für KI-Anwendungen genutzt werden. „Ich möchte ein digitales Europa, das das Beste Europas widerspiegelt: offen, fair, vielfältig, demokratisch und selbstbewusst“, betonte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen.

Der Fokus auf europäische Werte bedeutet auch eine Kampfansage an die Platzhirsche, wie Binnenmarkt-Kommissar Thierry Breton deutlich machte. „Es sind nicht wir, die sich an heutige Plattformen anpassen müssen, es sind die Plattformen, die sich an Europa anpassen müssen.“

Kommission wartet auf Feedback

Allerdings handelt es sich bei den Plänen nur um Ankündigungen – bis konkrete Gesetzesvorschläge auf dem Tisch liegen, dürfte es noch dauern. Zunächst einmal wartet die Kommission nun auf Feedback und will dies künftig berücksichtigen.

Zu den Vorhaben gehört, dass Daten innerhalb der EU künftig einfacher ausgetauscht werden können und so technische Innovation antreiben. Von den Datensets sollen Behörden, Unternehmen und die Wissenschaft profitieren. „Je mehr Daten wir haben, desto klüger werden unsere Algorithmen“, sagte CDU-Politikerin von der Leyen.

Deshalb sei der Zugang zu Daten entscheidend. Bislang gebe es ein riesiges ungenutztes Potenzial. Für Bereiche wie Verkehrssektor, Gesundheitssystem oder Klimaschutz sollen eigene Datenräume geschaffen werden, in denen Daten gespeichert und ohne Hindernisse ausgetauscht werden können.

Zugleich will die Brüsseler Behörde den KI-Einsatz vorantreiben. Diese könne den Alltag jedes Einzelnen verbessern und zugleich dazu beitragen, das Ziel eines klimaneutralen Europas bis 2050 zu erreichen. Von der Leyen nannte speziell bessere Krebsdiagnosen und optimiertes Heizen, das Millionen Tonnen Öl spare.

Grundrechte sollen gewahrt bleiben

Bei allen ihren Plänen betonte die EU-Kommission, die Grundrechte der Europäer sollten gewahrt werden. Europa solle unabhängiger von den amerikanischen Tech-Firmen werden. Das erste Rennen um persönliche Daten habe man bereits verpasst, sagte Breton. Aber der Kampf um industrielle Daten starte jetzt - und das Schlachtfeld sei Europa.

Wie groß der Aufholbedarf auf andere Teile der Welt ist, zeigen Daten der Unternehmensberatung McKinsey. Unter den 250 global führenden Tech-Unternehmen entfielen auf europäische Firmen nur 8 Prozent der Forschungs- und Entwicklungsausgaben. China liege bei elf Prozent, die USA bei 77.

Bei der Aufholjagd soll der EU-Kommission zufolge genau darauf geachtet werden, dass die genutzten Daten nicht zu tendenziösen Ergebnissen führen. „Wir möchten, dass die Bürger den neuen Technologien vertrauen“, sagte von der Leyen.

Behörden sollen Datensets zentrifizieren

Datensets in sensiblen Bereichen wie dem Gesundheitssektor sollen von Behörden geprüft und zertifiziert werden. Das soll ausschließen, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen durch die Ergebnisse diskriminiert werden. Für risikoarme Anwendungen soll ein Label freiwillig sein.

Dabei drohen US-Firmen wie Facebook und Google empfindliche Auflagen. Sie könnten etwa zum Teilen ihrer Daten gezwungen werden. Für dominante Marktteilnehmer gebe es besondere Erwägungen, sagte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Zunächst einmal solle jedoch sichergestellt werden, dass die Menschen, die ihre Daten zur Verfügung stellten, Zugang dazu bekämen.

Bei der Gesichtserkennung will die Kommission eine Debatte darüber anstoßen, unter welchen Umständen es Ausnahmen für das grundsätzliche Verbot geben könnte, sie im öffentlichen Raum einzusetzen.

Richtige Ziele formuliert

Reaktionen auf die Vorhaben fielen überwiegend positiv aus. Der europäische Verbraucherverband Beuc betonte, Daten großer Unternehmen müssten Anderen zugänglich sein. „Zu viele Daten sind derzeit in der Hand weniger Industrie-Teilnehmer, die sie exklusiv zu ihrem Vorteil nutzen“, sagte Generaldirektorin Monique Goyens.

Der Digitalverband Bitkom befand, die Vorschläge formulierten die richtigen Ziele. „Es fehlen aber die notwendigen Maßnahmen“, sagte Präsident Achim Berg.

Der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken befand: „Die Kommission hat sich viel vorgenommen.“ Er bedauerte jedoch, dass bei der Künstlichen Intelligenz nun doch kein Gesetzesvorschlag kam – anders als von der Leyen vor ihrem Amtsantritt angekündigt hatte.

Und Alexandra Geese von den Grünen im Europaparlament sagte: „Die Digitalstrategie setzt richtige Impulse.“ Durch Vorabprüfung von Anwendungen mit hohem Risiko setze die EU neue Standards beim Diskriminierungsschutz. (mit dpa-Material)

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