Bundesgerichtshof

Weiterhin Unklarheit zu Bewertungsportalen

Das Recht auf Informationsfreiheit auf der einen Seite, das Recht auf freie Berufsausübung auf der anderen Seite – der Bundesgerichtshof hat am Dienstag zur Löschung von Einträgen bei Arztbewertungsportalen verhandelt.

Von Anika von Greve-Dierfeld Veröffentlicht:
Weiterhin Unklarheit zu Bewertungsportalen

© pico / Fotolia

KARLSRUHE. Persönlichkeitsrecht versus Transparenz und Informationsfreiheit: Der Bundesgerichtshof (BGH) muss klären, ob Ärzte unter bestimmten Bedingungen einen Anspruch darauf haben, aus einem Bewertungsportal gelöscht zu werden. Zur Debatte stand bei der Verhandlung am Dienstag vor allem die Frage, ob die kostenpflichtige Werbung von Ärzten auf dem Arztbewertungsportal Jameda die schutzwürdigen Interessen einer Ärztin verletzt. Die Hautärztin wird gegen ihren Willen dort geführt und klagt seit Jahren, weil sie sich ungerecht behandelt und in der Ausübung ihres Berufes behindert sieht. (Az.: VI ZR 30/17). Wiederholt war sie gegen Bewertungen auf Jameda vorgegangen und wendet sich vor allem gegen dessen Geschäftsmodell.

Bewertungsportale seien zwar geschützte Formen der Informationsfreiheit, so der Vorsitzende Richter am BGH. Allerdings dürfe dort das Recht auf freie Berufsausübung nicht behindert werden. Das Unternehmen finanziert sich über kostenpflichtige Einträge dort verzeichneter Ärzte. Gegen Geld können sie sich mit Bild ausführlich auf ihrem Profil präsentieren. Wer nicht zahlt, ist lediglich mit seinen Basisdaten vertreten.

Die Klägerin stößt sich daran, dass die Werbung zahlender Ärzte neben ihrem Basisprofil erscheint – "und so Patienten, die sich für unsere Mandantin interessieren, gezielt von ihr weglockt", sagte ihre Anwältin Anja Wilkat. Premiumkunden hingegen sind auf den Jameda-Portalseiten vor Einblendungen der Konkurrenz geschützt. "Das ist sehr unschön", sagte die Dermatologin Astrid Eichhorn nach der Verhandlung am Dienstag. "Ich bin dem wehrlos und hilflos ausgeliefert." Da die Ärztin kein zahlender Kunde werden wolle, könne sie sich nur durch Löschung ihrer Daten schützen.

Zu klären ist aus Sicht des Mannheimer Datenschutzexperten Steffen Henn, ob solche Einblendungen Patienten abfangen und zu Konkurrenten lotsen. "Es könnte zudem ein unzulässiger Druck auf den Bewerteten entstehen, ein Premiumpaket des Portalbetreibers zu erwerben", sagte der Rechtsanwalt.

Der BGH-Vertreter der Klägerin, Jochen Höger, argumentierte, dass Jameda durch die Gestaltung der Werbung die gebotene Neutralität verlassen habe. Jameda-Geschäftsführer Florian Weiß betonte hingegen, dass die Werbeanzeigen der Ärzte klar als solche gekennzeichnet seien und unabhängig von ihrer Bewertung erschienen. "Es ist ein Hinweis und keine Empfehlung", bekräftigte auch der BGH-Vertreter von Jameda, Thomas von Plehwe.

Ein Urteil fällt in den nächsten Wochen. Es könnte durchaus weitreichende Folgen haben: Sollte die Ärztin mit ihrem Löschantrag durchkommen, könnten weitere Mediziner ihr folgen. Wenn der BGH eine Änderung der Werbegestaltung verlangt, müssten wohl auch andere Portale ihr Geschäftsmodell überdenken. Im Jahr 2014 hatte der BGH entschieden, dass es einen generellen Löschanspruch grundsätzlich nicht gibt - "denn es gibt ein großes Interesse an Transparenz im Gesundheitswesen", so der Berliner Medienanwalt Thorsten Feldmann. Die Vorinstanzen hatten die Klage der Frau abgewiesen. (dpa)

Bleibt der BGH seiner bisherigen Auffassung treu?

Der Bundesgerichtshof hatte im September 2014 entschieden, dass Ärzte sich nicht aus einem Bewertungsportal im Internet austragen lassen können (Az.: VI ZR 358/13). Die Interessen und Rechte der Nutzer und des Betreibers hätten mehr Gewicht als die Persönlichkeitsrechte des Arztes, hieß es damals zur Begründung. Damit wies der Bundesgerichtshof einen niedergelassenen Gynäkologen aus München ab.

Mehr dazu im Web:

www.aerztezeitung.de/869713

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Der Gesundheitsdialog

© Janssen-Cilag GmbH

J&J Open House

Der Gesundheitsdialog

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

© Springer Medizin

Johnson & Johnson Open House-Veranstaltung am 26. Juni 2025 beim Hauptstadtkongress

Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
J&J Open House beim Hauptstadtkongress

© [M] Springer Medizin Verlag

Video zur Veranstaltung

J&J Open House beim Hauptstadtkongress

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Dr. Elmar Perwein 24.01.201815:22 Uhr

Bewertungsportale käuflich

Da sollte das Gericht auch klären inwieweit es rechtlich zulässig ist, sich Bewertungen einzukaufen. Ich erhalte laufend Werbung dafür, dass ich gegen Zahlung einer Summe pro Bewertung eine oder mehrere Bewertungen kaufen kann. Das führt doch das ganze Internetbewertungsportalsystem ad absurdum. /PS Ich habe nichts gekauft

Sonderberichte zum Thema
Arzneiforschung: Von Innovationen profitieren nicht nur Patienten, sondern immer auch die Gesellschaft als Ganzes.

© HockleyMedia24 / peopleimages.com / stock.adobe.com

Nutzenbewertung

Arznei-Innovationen: Investition mit doppeltem Nutzen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa)
Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

© Springer Medizin Verlag

Unternehmen im Fokus

Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Advanz Pharma GmbH, München
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Einsatz für Schmerzlinderung

Landgericht Hamburg klärt PKV-Leistungspflicht für Cannabis

Lesetipps
Eine Ärztin hört während einer medizinischen Konsultation in ihrer Praxis die Lunge einer Patientin ab.

© AntonioDiaz / stock.adobe.com

In der Niederlassung

Körperliche Untersuchung vor einem Ultraschall – sinnvoll oder nicht?