Hintergrund

Wer Yilmaz heißt, findet auch in Arztpraxen nicht leicht einen Job

Jugendliche mit Migrationshintergrund tun sich schwer bei der Suche nach einer Ausbildungsstelle. Das gilt auch im Gesundheitswesen. Die Türkisch-Deutsche Gesundheitsstiftung übernimmt eine Vermittlerrolle.

Von Sabine Schiner Veröffentlicht:
Eine Muslima als Arzthelferin - hier beim Röntgen - ist in deutschen Praxen noch die Ausnahme.

Eine Muslima als Arzthelferin - hier beim Röntgen - ist in deutschen Praxen noch die Ausnahme.

© klaro

Qualifizierte Mitarbeiterinnen fürs Praxisteam sind immer gefragt. Der Bedarf wird mit Blick auf den demografischen Wandel sogar noch steigen. Trotzdem haben Jugendliche mit Migrationshintergrund meist geringere Chancen auf einen Ausbildungsplatz als deutsche Schulabgänger.

Die Türkisch-Deutsche Gesundheitsstiftung in Gießen hat sich zum Fürsprecher dieser Gruppe von Berufsanfängern gemacht. Über ein regionales Projekt versucht sie, Auszubildende in Arztpraxen, Apotheken und in Altenpflege-Einrichtungen zu vermitteln.

Das bundesweite Projekt "DAFB - Unterstützung dualer Ausbildung in freien Berufen" ist Teil des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten "Jobstarter"-Programms. Die Türkisch-Deutsche Gesundheitsstiftung hat die lokale Projektleitung übernommen und wendet sich noch bis Juli 2011 auch an Praxischefs in Mittelhessen und dem Rhein-Main-Gebiet, die sich schwer tun, qualifizierte Mitarbeiter zu finden und die viele Patienten haben, die nicht gut Deutsch sprechen.

Die Mitarbeiter der Projektbüros in Gießen und Frankfurt am Main bieten folgende Leistungen: Sie beraten bei der Erstellung eines Bewerberprofils, vermitteln Auszubildende möglichst passgenau aus dem eigenen Bewerberpool und stehen beratend zur Seite, wenn es während der Ausbildung zu Konflikten kommt. "Dann schaltet sich unser Sozialpädagoge ein", so Cornelia Schneider von der DAFB-Projektleitung. Alle Dienstleistungen sind kostenlos.

"Das Projekt ist ein Versuch, Migranten für Gesundheitsberufe zu gewinnen", erklärt Dr. Yasar Bilgin, Vorsitzender der Türkisch-Deutschen Gesundheitsstiftung bei der Vorstellung des Projektes in Frankfurt.

Angesichts der sinkenden Schülerabgangszahlen steige der Bedarf. Zudem seien Mitarbeiter, die eine zweite Sprache beherrschen und mit den kulturellen Besonderheiten anderer Länder vertraut sind, eine Bereicherung.

Türkisch-Deutsche Gesundheitsstiftung

"Für viele Ärzte ist eine solche Überlegung bereits heute sehr wichtig", findet auch die Zahnärztin Dr. Elke Vietor, Vorstandsmitglied der Landeszahnärztekammer und Ausbildungsbeauftragte des Verbandes Freier Berufe in Hessen. Bei vielen Stellengesuchen spielten Russisch- oder Türkischkenntnisse eine große Rolle.

Dennoch gilt: "Jemand der Yilmaz mit Nachnamen heißt und nicht Müller, der hat es immer noch schwer, einen Ausbildungsplatz zu bekommen", sagt Cornelia Schneider. Seit 2008 wurden im Rahmen des Projektes 70 Bewerber erfolgreich vermittelt und mehr als 500 informiert und beraten. Ein Problem seien, so Schneider, die oft hohen Ansprüche der Arbeitgeber - etwa, jemanden mit Realschulabschluss zu finden.

Für Roswitha Hoerschelmann, Leiterin der Abteilung Ausbildungswesen bei der Landesärztekammer Hessen, haben Hauptschüler durchaus Chancen, eine Stelle in einer Arztpraxis zu bekommen - wenn sie Leistung zeigen und motiviert sind.

"Wir brauchen qualifiziertes Personal. Die Anforderungen an Medizinische Fachhelferinnen sind hoch." Etwa 1000 junge Menschen würden jedes Jahr in hessischen Arztpraxen ausgebildet. 2009 waren etwa in Frankfurt von den 398 Ausbildungsstellen 300 mit deutschen Mitarbeiterinnen besetzt, der Rest hatte einen ausländischen Pass.

Ganz andere Zahlen gibt es heute bereits in der Altenpflege: Mehr als 50 Prozent aller Auszubildenden auf den 36 hessischen Altenpflegeschulen sind türkischer oder afrikanischer Herkunft. Viele kommen auch aus Osteuropa, Südamerika, Italien, Spanien oder Portugal.

Der Bedarf steigt. "Es gibt Prognosen, wonach im Jahr 2020 rund 2900 Beschäftigte fehlen", sagt Karl van Engelen vom "Kommit", dem Internationalen Bildungszentrum Rhein-Main für Pflegeberufe.

Zum anderen steige auch der Anteil der Heimbewohner, die aus einem anderen Land kommen. Sein Fazit: "Zweisprachigkeit und interkulturelle Kompetenz wird im Gesundheitswesen immer wichtiger."

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Statistisches Bundesamt

Beschäftigte arbeiten 2026 2,4 Arbeitstage mehr

Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Manchmal kommt Künstliche Intelligenz ziemlich abstrakt daher. Doch es gibt zunehmend auch konkrete Anwendungen, sogar für Arztpraxen.

© 3dkombinat - stock.adobe.com

Praxisorganisation

Mit KI zu mehr Entlastung fürs Praxisteam

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Metaanalyse

Subjektive Krankheitsbelastung bei Krebs prognostisch relevant

Risikofaktoren identifiziert

Für wen könnten Harnwegsinfekte gefährlich werden?

Laterale Ellbogenschmerzen

Diese sechs Kriterien sprechen gegen einen „Tennisarm“

Lesetipps
Übersichtsarbeit: Wie wirken Hochdosis-, rekombinante und mRNA-Vakzinen verglichen mit dem Standardimpfstoff?

© Sasa Visual / stock.adobe.com

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Eine junge Frau fasst sich an ihren schmerzenden Ellenbogen.

© Rabizo Anatolii / stock.adobe.com

Laterale Ellbogenschmerzen

Diese sechs Kriterien sprechen gegen einen „Tennisarm“

Serotoninkristalle, die ein Muster ergeben.

© Michael W. Davidson / Science Photo Library

Für wen passt was?

Therapie mit Antidepressiva: Auf die Nebenwirkungen kommt es an