Landarzt

"Wir haben einen tollen Beruf!"

Hausarzt zu sein ist super – das sagt Michael Buff auch nach Jahrzehnten in der Niederlassung. Der Nachwuchs sieht das aber oft (noch) nicht. Liegt das auch an den Kollegen, die in der Öffentlichkeit nur klagen? Ein – zur Abwechslung – positives Plädoyer.

Von Michael Buff Veröffentlicht:
'Wir haben einen tollen Beruf!'

© Michael Buff

Ich bin Hausarzt – in einer Gemeinschaftspraxis auf dem Land. Und ich bin das gerne. Es ist so ziemlich genau das, was ich machen wollte und will.

Hausarzt sein ist für mich insbesondere die persönliche Interaktion mit dem Patienten. Es ist das Erheben von Anamnese und Befund, also ein Zuhören, ein gemeinsames Reden und ein Anfassen. Es ist das Stellen von Diagnosen oder das Entwickeln von Untersuchungskonzepten mit dem Ziel, eine Ursache und eine Lösung für die geschilderten Beschwerden und Probleme zu finden. Es ist dann die gemeinsame Entwicklung eines Therapiekonzeptes. Hausärzte begleiten Menschen.

Anamnese ist wie ein Puzzle

Hausarzt sein bedeutet für mich nicht, möglichst viele Patienten pro Zeiteinheit durchzuschleusen. Es ist nicht das isolierte Erheben von Befunden jeglicher Art oder das isolierte Schreiben von Rezepten, Überweisungen oder Krankmeldungen. Das könnten auch Computer und nicht-ärztliches Personal.

Unser hausärztliches Handeln besteht viel mehr darin, mit unserer Erfahrung und unserem Wissen gemeinsam mit dem Patienten Mosaiksteine zu einem Gesamtbild zusammen zu setzen. Anamnese, Untersuchungsbefund, die Ergebnisse technischer Untersuchungen und Fremdbefunde, aber auch unsere Kenntnis des sozialen Umfeldes des Patienten, das gehört alles dazu. Darin kann und wird uns auch in Zukunft keine Maschine und keine Technik das Wasser reichen können.

Das ist oft anstrengend. Aber das macht Freude, es ist eine erfüllende und dankbare Aufgabe. Und es lässt eine tragende dauerhafte Arzt-Patienten-Beziehung entstehen.

Aber: Wenn dieser Beruf so toll ist, warum möchten dann so wenige angehende Ärztinnen und Ärzte diesen Weg einschlagen? Weiß vielleicht niemand, wie facettenreich, spannend und anspruchsvoll es ist, Hausarzt zu sein? Oder macht gerade das Angst?

Liegt es vielleicht auch daran, dass man uns Hausärzte in der Öffentlichkeit oft nur klagen hört? Viel zu viel Arbeit, schlecht bezahlt, fehlende Wertschätzung, Einzelkämpferdasein, Nacht- und Wochenenddienste, Regressgefahr mit einer Bedrohung der privaten Existenz?

Ich bin seit 2000 niedergelassen – seitdem hat sich glücklicherweise viel an der hausärztlichen Situation geändert. Ja, wir haben viel Arbeit. Aber wir versuchen in unserer Praxis, diese zu kanalisieren. Eine Terminsprechstunde bringt Ruhe, Aufgaben werden an NäPA delegiert. Und im Ärzte-Team findet sich immer ein Ansprechpartner.

Familie lebt gut von den Einnahmen

Ich arbeite in einem tollen Team in der Nähe meines Wohnortes, habe keinen Chefarzt über mir, der sagt, was ich zu tun habe. Ich komme jeden Mittag für eine Pause nach Hause, habe ein hohes soziales Ansehen und immer hilfsbereite Nachbarn. Dank eines geregelten Bereitschaftsdienstes gibt es keine Nacht- oder Wochenenddienste mehr. Und seit "Beratung vor Regress" gilt, kann ich deutlich besser schlafen. Hinzu kommt ein ganz wichtiger Aspekt: Meine Familie und ich können von meinen Einnahmen gut leben.

Angehende Kollegen machen sich Sorgen, der Vielfalt der Ansprüche an den Beruf des Hausarztes nicht gerecht werden, ihn nicht beherrschen zu können. Die Spezialisierung scheint da eine gute Alternative zu sein.

Spezialisierung ist gut und wichtig – aber sie konzentriert sich immer nur auf einen Teilaspekt des Menschen, dafür aber in einem möglichst perfekten Maß. Als Hausarzt muss ich nicht perfekt sein, nicht alles wissen – ich kann nachfragen, nachlesen oder weiterschicken. Aber ich habe die Möglichkeit, ganzheitlich zu arbeiten, mit Blick auf Körper, Seele und soziales Umfeld.

Wir Hausärzte haben einen tollen Beruf! Wie in jedem anderen Beruf gibt es natürlich auch vieles, was angegangen werden muss, längst nicht alles ist perfekt und unkompliziert. Aber vieles ist eben gut. Das sollten wir nicht vergessen.

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