An Kliniken

Zeitfresser Dokumentation

Gut die Hälfte der täglichen Arbeitszeit geht für Klinikärzte mit Dokumentationsaufgaben drauf. Dabei gibt es durchaus Möglichkeiten, die Effizienz zu steigern, zeigt eine aktuelle Untersuchung.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:

NEU-ISENBURG. Ärzte in Kliniken dokumentieren pro Tag durchschnittlich vier Stunden beziehungsweise 44 Prozent ihrer Arbeitszeit. Der zeitliche Dokumentationsaufwand über alle Befragten hinweg ist in Chirurgie und Innerer Medizin am höchsten.

Die Dokumentationskosten belaufen sich für Krankenhäuser auf etwa 21 Prozent des gesamten Personalaufwands für Ärzte und Pfleger. Durchschnittlich 65.550 Euro kostet es im Jahr, wenn der Chefarzt dokumentiert.

Das sind zentrale Ergebnisse der Studie "Auf den Spuren der Zeitdiebe im Krankenhaus: Die wahre Belastung durch Dokumentation an deutschen Akutkrankenhäusern wird unterschätzt" des Marktforschungsunternehmens HiMSS Europe im Auftrag des Spracherkennungsspezialisten Nuance Healthcare.

Ziel der Studie war unter anderem die Quantifizierung des Zeitaufwands der patientenzentrierten Dokumentation und Analyse der Opportunitätskosten, insbesondere hinsichtlich der Auswirkungen auf Patienten, Krankenhaus und Arbeitsqualität der Ärzte.

Dabei wurde der gesamte klinische Dokumentationsaufwand zwischen Patientenaufnahme und Entlassung sowie der damit in Zusammenhang stehenden Arbeitsschritte inklusive aller dabei anfallenden Abläufe wie Transkriptionen und Korrekturlesen, unter Ausschluss der Leistungen von Schreibbüros, im Verlauf eines Falles erfasst.

Dazu wurden 229 Ärzte und Pfleger aller Fachrichtungen, mit Ausnahme der Radiologie, befragt.

Chefärzte dokumentieren am längsten

Über alle Hierarchieebenen hinweg sind Chefärzte mit 5,5 Stunden täglich am längsten mit Dokumentationsarbeiten beschäftigt, gefolgt von Assistenz- (3,8) und Fachärzten (3,7).Oberärzte sind lediglich 3,1 Stunden am Tag mit der Dokumentation befasst.

Pflegeleitungen kommen im Schnitt auf 3,0 Stunden, Pflegepersonal auf 2,7.

Nach Fachdisziplinen differenziert, wird in der Chirurgie mit 3 Stunden und 50 Minuten am längsten täglich dokumentiert, gefolgt von der Inneren Medizin (3:48), der Anästhesie- und Intensivmedizin (3:20) sowie der Frauenheilkunde und Geburtshilfe (3:14).

Am wenigsten Zeit für die tägliche Dokumentation fällt mit 3 Stunden und neun Minuten in der Kinder- und Jugendmedizin an.

Großes Einsparpotenzial

Mit Verweis auf Daten des Statistischen Bundesamtes beziffert die Studie die Personalkosten in deutschen Kliniken 2013 auf insgesamt 53,8 Milliarden Euro - knapp 62 Prozent oder 33,4 Milliarden Euro seien dabei auf Ärzte und Pflegedienst entfallen.

Die Dokumentationskosten beliefen sich auf 21 Prozent des gesamten Personalaufwands für Ärzte und Pfleger, wie die Studienautoren hervorheben.

Auf diesen jährlichen Personalkosten basierend, fielen in einem Krankenhaus mit 450 Betten für Ärzte und Pfleger beinahe 26 Millionen Euro für Ärzte und Pfleger an. Übertrage man die in der Studie erhobenen Dokumentationszeiten auf einen repräsentativen Personalschlüssel eines 450 Betten Hauses, ergebe sich ein Aufwand von 5,5 Millionen Euro.

Durch die Verwendung von Spracherkennungssoftware könnte eine 20-prozentige Effizienzsteigerung bei der Dokumentation erreicht werden, im konkreten Fall also 1,1 Millionen Euro jährlich, postulieren die Studienautoren.

Bei der Analyse der einzelnen Dokumentationsprozesse in der Klinik zeigt sich, dass allein für den ärztlichen Dienst mit 16,7 Minuten je Fall das Verfassen des Entlassberichts Zeitfresser Nummer eins ist, gefolgt von der Aufnahmeuntersuchung mit 15,6 Minuten. Für die Kodierung fallen immerhin noch 7,8 Minuten an.

PC-gestützte Dokumentation dominiert

In allen Fachrichtungen dominiert die computergestützte Dokumentation, außer in der Anästhesie-und Intensivmedizin, wo sich papier- und computergestütztes Arbeiten die Waage halten. In der Urologie (69 Prozent) und HNO (65 Prozent) ist die computergestützte Dokumentation am meisten verbreitet.

Digitales Diktat mit Transkription wird am häufigsten in der Inneren Medizin und Chirurgie genutzt, die als einzige Abteilungen zu geringem Umfang auch schon digitales Diktat mit Spracherkennung verwenden (je drei Prozent der Befragten).

Die Dokumentation ist für Ärzte zwar Pflicht, zugleich aber des Öfteren auch Leid. So gaben 27 Prozent der in der Studie befragten Ärzte an, die Dokumentationslast beeinträchtige die Zufriedenheit mit ihrem Beruf. Spitzenreiter mit 36 Prozent ist hier die Arbeitsbelastung.

Mehr Zeit für Patienten gewünscht

Das wichtigste Motiv der befragten Ärzte, ihren Beruf auszuüben, ist das "Bedürfnis, Menschen zu helfen". Es verwundert daher nicht, dass diese Gruppe angibt, dass sie eine halbe Stunde zusätzlicher Zeit am Tag, die zum Beispiel durch eine effizientere Dokumentation erreicht werden könnte, dazu nutzen würde, mehr Zeit für Patienten zu haben (32 Prozent) und die Versorgungsqualität zu erhöhen (29 Prozent).

Wie in der Studie betont wird, lasse sich im Klinikalltag durch den Einsatz einer effizienten Dokumentation via Spracherkennung zum Beispiel für den eingangs erwähnten Chefarzt eine Zeiteinsparung von über einer Stunde erzielen - auf dann 4 Stunden und 22 Minuten statt bisher 5 Stunden und 28 Minuten.

Mehr zum Thema

Kommentar zum Transparenz- und Cannabis-Gesetz

Nach der Reform ist vor dem Vollzugsdefizit

Nach Auslaufen der Förderung

Ende für Long-COVID-Institut in Rostock

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Tierexperimentelle Studie

Ist Alzheimer durch eine Stammzelltransplantation übertragbar?

Lesetipps
Führen den BVKJ: Tilo Radau (l.), Hauptgeschäftsführer, und Präsident Michael Hubmann im Berliner Büro des Verbands.

© Marco Urban für die Ärzte Zeitung

Doppel-Interview

BVKJ-Spitze Hubmann und Radau: „Erst einmal die Kinder-AU abschaffen!“

Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch.

© Rolf Schulten

Interview

Diakonie-Präsident Schuch: Ohne Pflege zu Hause kollabiert das System