Stammzellen:

Neue Methoden zur Regeneration von Myokardgewebe

Die Wissenschaft sucht weiterhin nach Möglichkeiten, um Herzen nach einem Infarkt zu reparieren. Deutsche Forscher setzen etwa auf Herzmuskelgewebe aus pluripotenten Stammzellen, das auf die Herzinfarktnarbe genäht wird, berichteten Experten bei den DGK-Herztagen in Berlin.

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Milliarden Herzzellen können in der Kulturschale produziert werden.

Milliarden Herzzellen können in der Kulturschale produziert werden.

© science photo /stock.adobe.com

Nach einem überstandenen Herzinfarkt bleiben abgestorbene Herzmuskelzellen und Narben zurück, die sich negativ auf die Pumpleistung des Herzens auswirken. "Inzwischen ist belegt, dass sich das Herz zwar selbst regenerieren kann, allerdings nur in einem geringen Ausmaß, das heißt zu 0,5 bis zwei Prozent pro Jahr. Das ist viel zu wenig, um einen Herzinfarkt zu heilen. Die kardiovaskuläre Forschung versucht daher, die Selbstregeneration pharmakologisch zu erhöhen und ist anderen vielversprechenden Ansätzen auf der Spur, insbesondere auf der Basis von pluripotenten Stammzellen", berichtete Professor Thomas Eschenhagen, Direktor des Instituts für Experimentelle Pharmakologie und Toxikologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, bei den Herztagen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) in Berlin.

Der Hoffnung, dass ins Herz infundierte beziehungsweise injizierte Knochenmarkszellen neue Herzmuskelzellen bilden, hat sich inzwischen zerschlagen, heißt es in einer Mitteilung der DGK. Dennoch scheinen verschiedene Zellen eine positive Wirkung zu haben. Zellen, die am Herzen verbleiben, könnten beispielsweise die Gefäßversorgung verbessern und somit die Randbereiche eines Infarktes schützen. Zu dieser Form der Knochenmarkszellentherapie läuft aktuell eine große EU-finanzierte Studie. "Leider ist sie nicht Placebo-kontrolliert und wird nur dann wirklich überzeugend Ergebnisse liefern, wenn sie negativ ist", wird Eschenhagen in der Mitteilung zitiert. Ein anderer, derzeit intensiv verfolgter Ansatz versucht, den Prozess der Selbstregeneration von Herzmuskelzellen zu stimulieren. Dabei wird die Zellteilung angeregt, zum Beispiel indem man den Hippo-Signalweg pharmakologisch manipuliert.

Vielversprechende Fortschritte

Besonders vielversprechend sind die Fortschritte, die die Stammzellentechnologie in den letzten zehn Jahren bei embryonalen und induzierten pluripotenten Stammzellen gemacht hat. Weltweit können heute in vielen Laboren Milliarden Herzmuskelzellen in der Kulturschale produziert werden, und das effektiv und in einem ökonomisch vertretbaren Rahmen. "Wir haben in diesem Jahr schon sieben Milliarden Herzmuskelzellen aus pluripotenten Stammzellen hergestellt. Im wissenschaftlichen Labor betragen die Sachmittelkosten für eine Million Zellen nur rund fünf Euro", berichtet Eschenhagen.

Somit stehen erstmals humane Herzmuskelzellen auf breiter Basis zur Verfügung. Die große Herausforderung ist, diese Zellen ans Herz zu bringen und dafür zu sorgen, dass sie dort anwachsen und die Herzmuskelfunktion verbessern. Eschenhagen erklärt zwei mögliche Verfahren: "Relativ einfach ist es, aufgetaute Zellen an möglichst viele Orte um oder in die Herzinfarktnarbe zu injizieren. Der große Nachteil ist, dass auf diese Weise weniger als zehn Prozent der Zellen überleben und anwachsen. Die meisten werden gleich abgeschwemmt." An dieser Methode arbeiten mehrere Forschungsgruppen mit positiven Ergebnissen.

"Flicken" aus Herzmuskelgewebe

Eschenhagens Team verfolgt einen anderen Ansatz: "Wir haben vor mittlerweile zwanzig Jahren eine Methode entwickelt, aus Herzmuskelzellen richtige Herzmuskelgewebe herzustellen. Damit produzieren wir eine Art ‚Flicken‘, den wir auf das Herz nähen. Die Zellen können zwar auch absterben, aber da sie einen Gewebeverband bilden, schwimmen sie nur in einem sehr geringen Anteil ab."

Am Meerschweinchenherz konnten die Forscher zeigen, dass sie mit zehn Millionen humanen Zellen sehr große humane Herzgewebe auf und in der Herzinfarktnarbe bilden können und sich dadurch die Herzfunktion nach einem Infarkt deutlich verbessern lässt. "Mit diesem Verfahren ist mindestens das gleiche Ergebnis wie mit Injektionen erzielbar, man benötigt aber nur etwa ein Zehntel der Zellen", betont Eschenhagen in der DGK-Mitteilung. Der Nachteil der Methode: Sie ist in der Anwendung etwas komplizierter. Es müssen vorher in einer Zellkultur Herzmuskel-Flicken hergestellt werden, das ist schwieriger, als Zellen aufzutauen.

Eine Herausforderung ist auch die Anbringung, die, anders als die Zellinjektion, einen chirurgischen Eingriff erfordert. "Herzmuskelzellen können sich nur mit ihresgleichen verbinden. Wir versuchen daher, das Gewebe so anzubringen, dass es oberhalb und unterhalb der Narbe in gesundem Gewebe ankern kann. An dieser Koppelung arbeiten wir derzeit intensiv", berichtet Eschenhagen.

Obwohl die Methode prinzipiell funktioniert, koppelt der Flicken in manchen Fällen nicht richtig an. Das ist eines der Probleme, die gelöst werden müssen, um der Anwendung beim Menschen einen Schritt näher zu kommen. Ein weiteres ist bereits gelöst – die Flicken müssen größer werden, damit sie besser funktionieren. Auch die Sicherheit muss gewährleistet werden. "Wenn der Flicken noch Stammzellen enthält, besteht die Gefahr, dass sich diese pluripotenten Zellen in alle Richtungen weiterentwickeln. Es können Teratome, also Tumore, entstehen." Der nächste Forschungsschritt wird die Anwendung an größeren Tiermodellen sein.

Für die Anwendung beim Menschen muss noch geklärt werden, welche der pluripotenten Stammzellen am besten geeignet sind, wie man mit dem Problem der Immun-Abstoßung am besten umgeht und ob der neue Herzmuskel wirklich für die beobachtete Verbesserung der Herzfunktion verantwortlich ist. "Ist das nicht der Fall, kann man auch andere Zellen verwenden und nicht die potenziell gefährlichen pluripotenten Stammzellen", so Eschenhagen. "Wir arbeiten auf Hochtouren an diesen Fragen und werden sie in den nächsten fünf Jahren vermutlich beantworten können. Es lohnt sich sicher, daran weiter zu arbeiten." (eb)

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