Unfairer Lohn für gute Arbeit

Da streikt auch das Herz!

Wer sich ungerecht bezahlt fühlt, dem kann das auch aufs Herz schlagen, so das Ergebnis einer Studie. Die Wissenschaftler hatten für ihre Analyse ein Verhaltensexperiment mit Studenten durchgeführt, die mal Chef, mal Arbeiter sein durften.

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Gerechte Bezahlung für gute Arbeit! fordern hier Beschäftigte kommunaler Jugend- und Sozialämter in Mainz im Jahr 2015.

Gerechte Bezahlung für gute Arbeit! fordern hier Beschäftigte kommunaler Jugend- und Sozialämter in Mainz im Jahr 2015.

© Fredrik von Erichsen / dpa

BONN. Chef-Gehalt oder doch bloß Arbeiter-Lohn? Unfair empfundene Bezahlungen führen zu einer deutlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes, so das Ergebnis einer interdisziplinären Studie (Managmenet Science 2017; online 16. Februar). Die Bonner Ökonomen Professor Armin Falk und Dr. Fabian Kosse vom Institute on Behavior & Inequality (briq) haben in ihrer Studie gemeinsam mit einem Team von Medizinsoziologen ein Verhaltensexperiment durchgeführt und ihre Ergebnisse mit Befragungsdaten verglichen.

Chef oder Arbeiter?

Für das Laborexperiment hatten die Wissenschaftler 80 Studierende in zweiköpfige Teams aus "Chef" und "Arbeiter" aufgeteilt. Die Arbeiter mussten 25 Minuten lang eintönige Rechenaufgaben lösen, während sich die Chefs entspannen durften.

Je mehr Zahlen die Arbeiter richtig addierten, desto mehr Geld erwirtschaftete das Team. Danach teilten die Chefs den Gewinn willkürlich zwischen beiden auf. In der Regel bedachten sie die Arbeiter mit einem geringeren Gewinnanteil, als von außenstehenden Personen als fair betrachtet wurde.

Die erlebte Ungerechtigkeit versetzte die Arbeiter in Stress, den die Wissenschaftler anhand der HFV (HerzfrequenzVariabilität) messen konnten. Eine niedrige HFV signalisiert mentale Belastung und deutet auf ein erhöhtes Risiko koronarer Herzerkrankungen hin.

Die Auswertung der Versuchsdaten ergab: Je stärker die Bezahlung von einer als fair erachteten Summe abwich, desto ausgeprägter war die körperliche Stresssymptomatik. Erlebte Unfairness wirkt sich demnach unmittelbar auf das autonome Nervensystem aus. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass der menschliche Körper auf soziale und kontextbezogene Informationen reagiert und sie systematisch verarbeitet", wird Kosse in einer Mitteilung des briq zitiert.

Höheres Risiko für Herzerkrankungen

Die kurzfristigen Effekte aus dem Laborexperiment decken sich mit den Erkenntnissen aus langfristigen Erhebungen. Anhand von Befragungsdaten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) ermittelten die Forscher einen klaren Zusammenhang zwischen gefühlter Lohnungerechtigkeit und eigenem Gesundheitszustand.

Je häufiger die Befragten ihren Lohn als unfair empfanden, desto schlechter schätzten sie ihre Gesundheit ein. Eine genauere Analyse zeigte, dass die Betroffenen vor allem häufiger unter Herzkrankheiten litten.

Die Größenordnung des negativen Gesundheitseffekts unfairer Entlohnung ist beträchtlich: Laut Studie entspricht er einer körperlichen Alterung um bis zu zehn Jahre oder einem Einkommensrückgang um monatlich mehr als 1000 Euro netto.

"Faire Bezahlung ist also nicht nur eine Frage der sozialen Gerechtigkeit und der Mitarbeitermotivation, sondern auch der Gesundheit. Dieser Aspekt wird in der politischen und öffentlichen Diskussion bislang vernachlässigt", so Armin Falk.

Rückkopplung als Teufelskreis

Die Autoren sehen zudem die Gefahr, dass die Rückkopplung zwischen dem menschlichen Körper und seinem sozialen Umfeld zum Teufelskreis wird: Verschlechtert unfaire Entlohnung neben der Arbeitsmoral auch den Gesundheitszustand, sinken mit abnehmender Leistungsfähigkeit die Verdienstchancen auf dem Arbeitsmarkt, was die gefühlte Ungerechtigkeit weiter verstärkt.

Lohnungerechtigkeit ist auch das Thema des am Samstag stattfindenden "Equal Pay Day" (EPD). Der EPD markiert symbolisch den Tag, bis zu dem Frauen umsonst arbeiten, während Männer seit dem 1. Januar für ihre Arbeit bezahlt werden. Die Zahlen des Statistischen Bundesamts aus dem Jahr 2015 zeigen, dass die Lohnlücke in Deutschland gemessen am Durchschnittsbruttostundenlohn insgesamt 21 Prozent betrug. Umgerechnet ergeben sich damit 77 Tage: 21 Prozent von 365 Tagen – der EPD fällt damit auf den 18. März 2017. Nur die Tschechische Republik und Estland haben in Europa einen höheren Lohnunterschied als Deutschland. (eb/bae)

Unsere Ergebnisse zeigen, dass der menschliche Körper auf soziale und kontextbezogene Informationen reagiert und sie systematisch verarbeitet.

Dr. Fabian Kosse Institute on Behavior & Inequality

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