PräP-Checkpoint

Berliner Kiez versus HIV

HIV-Ärzte bieten mitten im Neuköllner Kiez im neuen "Checkpoint BLN" gemeinsam Prävention, Diagnostik und Erstversorgung. Durch ein spezielles Konzept wollen sie der Regelversorgung keine Konkurrenz machen.

Angela MisslbeckVon Angela Misslbeck Veröffentlicht:
U-Bahnhof Hermannplatz: In diesem Bereich soll der neue Checkpoint entstehen.

U-Bahnhof Hermannplatz: In diesem Bereich soll der neue Checkpoint entstehen.

© Manfred Krause / ZB / picture alliance

BERLIN. Ein neuartiges, niedrigschwelliges und integriertes Erstversorgungsangebot für Menschen mit Verdacht auf HIV und sexuell übertragbare Krankheiten öffnet im Oktober seine Türen am Berliner Hermannplatz. Mitten im Kreuzberg-Neuköllner Kiez bieten HIV-Ärzte und Beratungsträger im neuen "Checkpoint BLN" gemeinsam Prävention, Diagnostik und Erstversorgung.

Das Angebot richtet sich vor allem an homo- und bisexuelle Männer und transidente Menschen, aber auch an Frauen mit hohem Risiko. Es startet zunächst im Teilbetrieb und soll ab März 2019 voll ausgebaut an sieben Tagen in der Woche insgesamt 30 Stunden geöffnet sein. Das Projekt ist nach Angaben der Berliner Senatsgesundheitsverwaltung bundesweit einzigartig.

Kostenlose Medikamente

Zentraler Bestandteil des neuen Angebots ist die Präexpositions-Prophylaxe (PräP). Für Bedürftige soll diese medikamentöse Prävention im Checkpoint kostenlos erhältlich sein. Um Bedürftigkeit nachzuweisen, genügt den Angaben zufolge der Berlinpass. Nach Angaben der Schwulenberatung Berlin wird auch ein Screening für Menschen ohne Symptome angeboten.

Ratsuchende sollen außerdem medizinische Hilfe durch spezialisierte HIV-Ärzte bekommen, gegebenenfalls anonyme HIV-Tests machen und Impfungen erhalten können, etwa gegen Hepatitis. Außerdem bieten freigemeinnützige Träger Beratung über die rein medizinischen Fragen hinaus an.

Betrieben wird der Checkpoint von der Schwulenberatung Berlin und der Berliner Aids-Hilfe gemeinsam mit niedergelassenen HIV-Ärzten. Die DAGNÄ (Deutsche Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter) betrachtet es als eine Art infektiologische Notfallpraxis. "Die niedergelassenen Ärzte sind mit großer Unterstützung der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin in der Lage, dort im Rahmen von Zweigpraxen tätig zu werden", sagt Dr. Axel Baumgarten von der DAGNÄ der "Ärzte Zeitung".

Keine Konkurrenz für Regelversorgung

Bisher sind Zweigpraxen für 25 Ärzte genehmigt, 35 haben die Teilnahme an dem innovativen Projekt in Form einer Zweigpraxis beantragt. Im Vollbetrieb übernehmen die mitwirkenden Ärzte insgesamt 30 Stunden Versorgung auf sieben Tage verteilt. Ihre Leistungen rechnen sie zweigleisig ab. Für die Dokumentation zur Evaluation und die Verpflichtung, auch Nichtversicherte zu versorgen, erhalten sie eine Stundenvergütung. Krankenkassenleistungen werden über die Chipkarte vergütet.

Der Behandlungsauftrag in den Zweigpraxen ist Baumgarten zufolge klar definiert. Eine langfristige Betreuung der Patienten ist darin ausdrücklich nicht vorgesehen. So soll gewährleistet sein, dass der Checkpoint BLN der Regelversorgung keine Konkurrenz macht, sondern sie ergänzt.

Das betont auch Stephan Jäkel, Abteilungsleiter HIV-/STI-Prävention und Flucht in der Schwulenberatung Berlin. "Wir wollen keine hausärztliche Versorgung ersetzen", so Jäkel zur "Ärzte Zeitung. Auch die Regelstrukturen der psychosozialen Beratung sollen nicht in Konkurrenz geraten. Vielmehr geht es um eine Erstberatung. Zentrale Beratungsaufgaben sind laut Jäkel neben der individuellen Aufklärung, die psychosoziale Vorbereitung auf einen HIV-Test und die Adhärenzberatung bei PräP. "Es ist bekannt, dass die Adhärenz abnimmt", sagte er der "Ärzte Zeitung". Bei komplexen Beratungsprozessen werden Hilfesuchende in die Beratungsstellen weitervermittelt.

Mehrsprachige Anlaufstelle

Der Checkpoint wird gleichberechtigt von einem Ärztlichen Leiter und einem Leiter aus dem psychosozialen Beratungsbereich geführt. Zum festen Personal gehören Praxisassistentinnen, Empfangskräfte und rund fünf Berater. In der Beratung sollen auch kultursensible Sprachmittler eingesetzt werden, damit der Checkpoint mehrsprachige Anlaufstelle wird.

"Der Checkpoint wird eine wichtige Säule unserer Strategie gegen Aids sein", so die Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD). Ihr Ressort finanziert den Checkpoint mit insgesamt 2,15 Millionen Euro in diesem und kommendem Jahr. Das Projekt wird mit einer Förderung des Bundesgesundheitsministeriums evaluiert.

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