Immunsystem ausgetrickst

Wie Zucker und die Schlafkrankheit zusammenhängen

Forscher des DKFZ haben herausgefunden, wie die Erreger der Schlafkrankheit sich vor dem Immunsystem verstecken. Bei der Tarnung spielt Zucker eine entscheidende Rolle.

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Forscher verstehen die Tarnmechanismen der Erreger der Schlafkrankheit immer besser.

Forscher verstehen die Tarnmechanismen der Erreger der Schlafkrankheit immer besser.

© Chris Titze Imaging / stock.adobe.com

HEIDELBERG. Dass sich der Erreger der Schlafkrankheit, Trypanosoma brucei, durch einen Austausch seiner Oberflächenproteine der Immunabwehr entziehen, ist lange bekannt. Nun fanden Wissenschaftler im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) eine zusätzliche Strategie der Parasiten: Sie verwirren das Abwehrsystem mit Zucker (Nat Microbiol 2018; online 9. Juli).

Die Zuckerketten am Hüllprotein verhindern die Bindung schützender Antikörper und steigern so die Pathogenität der Erreger, heißt es in einer Mitteilung des DKFZ.

Analyse per Röntgenstrukturanalyse

Die Forscher haben verschiedene Oberflächenproteine der Trypanosomen (variable surface glycoproteins, VSG) per Röntgenstrukturanalyse untersucht. Bei einem der Moleküle, VSG3, entdeckten sie auf der dem Immunsystem zugewandten "Außenseite" Bindestellen für Zuckermoleküle. Mit weiteren Untersuchungen stellten Forscher der Universität Dundee, Schottland, fest, dass diese Bindestellen auch tatsächlich mit einer Vielzahl verschiedener Zucker besetzt sind.

Um herauszufinden, ob die Zuckerketten Einfluss auf die Vermehrung der Parasiten bzw. auf den Erfolg der Immunabwehr haben, schufen die DKFZ-Wissenschaftler mit molekularbiologischen Methoden Trypanosomen, deren VSG3 die Zuckerbindestelle fehlte.

Während Mäuse, die mit normalen Trypanosomen infiziert wurden, schnell an der Infektion starben, überlebten die Tiere eine Infektion mit "zuckerfreien" Trypanosomen und konnten den Erreger nach einigen Tagen gänzlich aus ihrem Blut eliminieren.

Geimpft mit zuckerfreien, abgetöteten Trypanosomen entwickelten Mäuse eine schützende Immunantwort. Die Übertragung von Erregern mit normalem, zuckerhaltigem VSG löste dagegen keinen Impfschutz aus. Die Bindestellen für den Zucker fanden die Forscher nicht nur am VSG3, sondern auch bei zahlreichen anderen VSGs.

Verdecken die Zucker die Antikörperbindestellen?

"Die Zuckerketten des VSG legen die Immunabwehr nicht komplett lahm. Aber sie behindern sie eindeutig. Neben dem Umschalten auf neue VSGs sind die verschiedenartigen Zucker eine zusätzliche Strategie, mit der die Parasiten es dem Immunsystem schwer machen, den Erreger zu eliminieren", wird Autorin Professor Nina Papavasiliou in der Mitteilung zitiert.

Wie genau die Zucker das Abwehrsystem behindern, können die Forscher derzeit noch nicht sagen. "Möglicherweise verdecken sie teilweise die Bindestellen der Antikörper", mutmaßt Autor Dr. Erec Stebbins.

Er weist darauf hin, dass veränderte Zuckermoleküle auch die Immunabwehr von Krebszellen beeinflussen können: "Zuckermoleküle sind sehr wichtige Erkennungsstrukturen für das Immunsystem. Das gilt für die Abwehr von Mikroorganismen ebenso wie für die Immunabwehr von Tumoren." (eb)

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