HINTERGRUND

Impfen oder nicht? Wer sich an die STIKO hält, kriegt keine Probleme

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:

Die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO), das unterschiedliche Vorgehen der Krankenkassen bei der Kostenübernahme und der Impfwunsch von Patienten, die von der aktuellen Diskussion über die Vogelgrippe verunsichert sind - beim Thema Grippeschutzimpfung sehen sich niedergelassene Ärzte zur Zeit einer unklaren Gemengelage ausgesetzt. Die Verunsicherung ist groß.

Die Experten der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut (RKI) empfehlen die Grippeschutzimpfung für Patienten über 60 Jahre, für Patienten mit chronischen Grunderkrankungen sowie für Menschen, die ständig mit Publikum zu tun haben und für alle Beschäftigte im Gesundheitswesen. In manchen Bundesländern - zum Beispiel in Rheinland-Pfalz - sprechen sich die Gesundheitsministerien für die Impfung aller Bevölkerungsgruppen aus.

Impfungen sind freiwillige Satzungsleistungen der Kassen

Und auch für die Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung gibt es bei Impfungen keine generellen, bundesweit gültige Regeln. Impfungen sind freiwillige Satzungsleistungen, das heißt, eine Krankenkasse kann sie in ihren Leistungskatalog aufnehmen, muß es aber nicht.

In der Regel übernehmen alle Krankenkassen die Kosten, wenn eine Grippeschutzimpfung gemäß den STIKO-Empfehlungen erfolgt. Manche Kassen orientieren sich darüber hinaus jedoch an den Empfehlungen der Länderministerien. "Wenn ein Bundesland eine generelle Impfempfehlung ausspricht, entziehen wir uns dem nicht", sagt Susanne Uhrig, Sprecherin der Barmer Ersatzkasse, der größten deutschen Krankenkasse.

Die Techniker Krankenkasse übernimmt die Kosten, wenn es solche Landesempfehlungen oder regionale Vereinbarungen gibt. In Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe zahlt sie die Impfung bei allen Versicherten.

Bei Betriebs- und Innungskrankenkassen sowie den AOKen gibt es von den Bundesverbänden keine Vorgaben. "Das muß jede Mitgliedskasse selbst entscheiden", sagt der Sprecher des BKK-Bundesverbandes Florian Lanz.

Versicherte, die nicht zu den vom RKI skizzierten Risikogruppen gehören, sollten sich deshalb vor einer Impfung bei ihrer Krankenkasse erkundigen, ob sie die Kosten übernimmt. Ist das nicht der Fall, sollte der Arzt die Impfung privat liquidieren.

Das rät die Kassenärztliche Vereinigung Hessen ihren Mitgliedern. "Wir sehen es als problematisch an, Patienten eine Impfung zu verweigern", sagt dazu KV-Sprecher Karl Matthias Roth auf Anfrage der "Ärzte Zeitung."

Angst vor Vogelgrippe führt zu einem Versorgungsengpaß

In diesem Jahr stehen die Ärzte allerdings vor einer besonderen Situation. Aus Angst vor einer Infizierung mit der Vogelgrippe wollen sich jetzt viele Patienten gegen Grippe impfen lassen, die nicht zu einer Risikogruppe gehören und die sich früher auch nicht haben impfen lassen.

Die gestiegene Nachfrage könnte zu einem Engpaß führen. Deshalb empfehlen RKI und Paul-Ehrlich-Institut (PEI) den Ärzten, die Grippeschutzimpfung gemäß den STIKO-Empfehlungen zunächst nur bei den besonders gefährdeten Personengruppen vorzunehmen.

"Es gibt Menschen, für die ist die Impfung lebensnotwendig, sie sollten im Moment den Vortritt haben", erläutert PEI-Sprecherin Dr. Susanne Stöcker.

Wenn sich abzeichne, daß genug Impfstoff vorhanden ist, könnten Ärzte auch noch zusätzlich Patienten impfen. "Grundsätzlich ist es positiv, wenn sich die Menschen impfen lassen wollen", sagt Stöcker. Zur Zeit müsse man aber der besonderen Situation Rechnung tragen.

Niedergelassene Ärzte, die sich an dieses Vorgehen halten, werden haftungsrechtlich und berufsrechtlich keine Probleme bekommen, erwartet der Justitiar der Ärztekammer Nordrhein Dr. Dirk Schulenburg. Auch wenn Patienten eine Impfung wünschen, müßten Ärzte nicht von den STIKO-Empfehlungen abweichen, sagt Schulenburg.

Selbst wenn dieser Patient dann an Grippe erkrankt, kann er dem Mediziner keinen Strick daraus drehen. "Er müßte dem Arzt beweisen, daß er nicht an Grippe erkrankt wäre, wenn er geimpft worden wäre."

Da die Impfungen aber keinen 100prozentigen Schutz bieten, sei das nicht möglich. "Der Arzt, der sich an die STIKO-Empfehlungen hält, dürfte auf der sicheren Seite sein", so der Jurist Schulenburg. "Alles andere wäre auch eine Zumutung."

Das ist jedoch der KV Hessen zuwenig. Unabhängig von der besonderen aktuellen Situation mahnt die Körperschaft ein einheitliches Vorgehen der Krankenkassen bei der Kostenübernahme an.

Die Begründung: Es sei für Ärzte und Patienten nicht nachzuvollziehen, daß die Kassen in einer Region unterschiedlich agieren oder daß etwa die AOK Hessen die Kostenübernahme außerhalb der Risikogruppen verweigere, während die Schwesterkasse im Nachbarland Rheinland-Pfalz keinerlei Probleme damit habe, so Sprecher Roth.

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