Krebs

Erste Hilfe nach der Diagnose

Formulare, Anträge, Fragebögen: Nach der Krebsdiagnose ist der bürokratische Aufwand enorm. Das "Haus LebensWert" der Universitätsklinik Köln hilft Schwerstkranken dabei.

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KÖLN. Die Diagnose Krebs ist für Patienten ein Schock. Nicht alle, aber viele brauchen professionelle Hilfe, um ihn zu verarbeiten.

"Innerhalb von drei Monaten zeigt sich, ob dem Patienten die Anpassung an die neue Situation aus eigener Kraft gelingt oder ob er Hilfe braucht", sagt Birgitt Hein-Nau, leitende Psychotherapeutin im "Haus LebensWert" an der Universitätsklinik Köln.

Doch in dieser Zeit müssen Patienten nicht nur schnell Therapieentscheidungen fällen, sie stehen auch vor vielen bürokratischen Herausforderungen, um ihr Leben neu zu ordnen. "Es bricht wie eine Lawine über sie hinein", sagt sie.

Im "Haus LebensWert" finden Patienten mit Krebs und ihre Angehörigen psychoonkologische Unterstützung und andere Hilfsangebote.

In der Universitätsklinik Köln erhalten alle Patienten mit einer Krebsdiagnose einen Fragebogen, mit dem die psychische Belastung gemessen wird.

Soziale und finanzielle Sorgen

Darin geht es auch um soziale und finanzielle Sorgen. "Wir versuchen, frühzeitig zu erkennen, ob und in welchem Ausmaß ein Patient belastet ist", sagt Hein-Nau.

Ist ein Patient depressiv oder in Hoffnungslosigkeit gefangen, kann er bei der Therapie nicht in erforderlichem Maße mitwirken.

Die extreme Belastung durch die Krebsbehandlung wirkt sich auf die Psyche der Patienten aus. "Das Schwächegefühl ist für viele erschütternd", sagt Hein-Nau. "Die Patienten haben sich noch nie so schwach gefühlt."

Das löst Angst aus. Gerade in dieser Zeit müssen viele Anträge gestellt und Formulare ausgefüllt werden. "Das ist für Patienten eine weitere große Belastung", sagt die Psychoonkologin.

"Dabei ist es ihnen aufgrund der Behandlung oft nicht möglich, alle erhaltenen Informationen aufzunehmen", sagt sie.

Das soziale Netz in Deutschland ist gut, ist Simone Matte vom Sozialdienst der Universität Köln überzeugt.

Einmalzahlungen der Deutschen Krebshilfe

Gesetzlich Versicherte etwa erhalten Krankengeld, Privatpatienten haben oft eine Krankentagegeldversicherung. Manche, oft Selbstständige, sind zwar gar nicht abgesichert.

"Aber auch für sie gibt es Lösungen", sagt Matte. Das können zum Beispiel staatliche Leistungen wie Arbeitslosengeld II sein. Die Deutsche Krebshilfe kann mit einer Einmalzahlung helfen.

In vielen Krankenhäusern gibt es Sozialdienste, die solche Informationen an Patienten weitergeben und sie bei Anträgen unterstützen.

Das "Haus LebensWert" ist Anlaufstelle auch für ambulante Patienten aus Köln und Umgebung. In vielen anderen Regionen aber gibt es nichts Vergleichbares.

"Niedergelassene Ärzte können ihren Patienten empfehlen, sich an eine Krebsberatungsstelle oder einen Wohlfahrtsverband wie den VdK zu wenden", rät Sozialarbeiterin Matte. Gibt es in der Nähe keine Beratungsstelle, könne auch die Krankenkasse weiterhelfen.

Doch aus Sicht der Patienten steht die Krankenkasse nicht unbedingt auf ihrer Seite. Oft ist es ein Schock, wenn die Kasse sie auffordert, einen Antrag auf Verrentung zu stellen. Das geschieht oft zu einem Zeitpunkt, an dem sie das nicht erwarten, sagt Hein-Nau.

"Damit wächst die Verzweiflung." Denn die Rente steht für das Ende des Berufslebens, für einen Schlusspunkt. "Es kann helfen, wenn Ärzte Patienten darauf aufmerksam machen, dass die Verrentung wieder rückgängig gemacht werden kann."

Eine Alternative zur Verrentung gibt es bislang nicht. Zu etwas anderem schon: Die Psychoonkologin hört immer wieder, dass Patienten die Schreiben der Krankenkasse als rüde und kalt empfinden.

"Ich würde mir wünschen, dass diese Schreiben wenigstens persönlicher und freundlicher wären", sagt sie. (akr)

Lesen Sie dazu auch: Betroffener berichtet: Kampf gegen Krebs und Bürokratie

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 18.01.201517:58 Uhr

Bio-psycho-sozialer Respekt und Achtsamkeit

In meiner Dortmunder Innenstadtpraxis betreue ich viele Tumorpatienten. A l l e brauchen neben Anamnese, Untersuchung, Beratung, Differenzialdiagnostik und psychosomatischer Therapie G e s p r ä c h s b e r e i t s c h a f t, Entbürokratisierung, schnellere Hilfe und mehr Menschlichkeit im sozial- und versorgungsrechtlichen Umgang mit Schwerstkranken. Anträge stellen, Formulare ausfüllen, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen fristgerecht beibringen, beim medizinischen Dienst der Krankenkassen Pflegestufen beantragen, Begutachtungen organisieren, Schwerbehindertenausweise beantragen, Anträge für eine Haushaltshilfe stellen, Anfragen von widerstreitenden Krankenkassen, Kommunen und Rentenversicherungen erledigen.

Die Rentenversicherungsträger fordern im Einvernehmen mit den Krankenkassen und sonstigen Leistungsträgern privater Versicherungen nach REHA-Leistungen oft direkt einen Antrag auf Verrentung, obwohl die kurative Behandlung noch gar nicht abgeschlossen ist. Lapidar wird über die Notwendigkeit informiert, fristgerecht einen Rentenantrag zu stellen, weil sonst sämtliche Leistungsbezüge entfallen. Nicht nur in meiner Praxis ein Wust von unkoordinierten, unsinnigen, z. T. rechtswidrigen bzw. kontraproduktiven Anfragen und Auskunftsersuchen. Nur, um den Krebspatienten als "Akte" abzuschließen und seinem Schicksal zu überlassen?

Das muss anders werden! Kontakt-, Kooperations- und Clearingstellen sind erforderlich; aufsuchende, niedrig-schwellige Beratungs- und Hilfsangebote müssen geschaffen und Achtsamkeit, Respekt und Autonomie verwirklicht werden.

Einzelheiten:
http://www.aerztezeitung.de/panorama/article/877127/betroffener-berichtet-kampf-krebs-buerokratie.html#comment
Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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