Reaktionen der Ärzteschaft

Tödlicher Messerangriff – der Schock sitzt tief

Nach dem tödlichen Angriff auf einen Hausarzt fühlen sich auch andere Ärzte möglicherweise in der Praxis nicht mehr sicher. Doch wie können sie vor Gewalt geschützt werden — und sich selbst schützen? Ärztevertreter reagieren bestürzt.

Von Anne Zegelman Veröffentlicht:
Wie lassen sich aggressive Patienten stoppen? Das fragen sich immer häufiger Ärzte.

Wie lassen sich aggressive Patienten stoppen? Das fragen sich immer häufiger Ärzte.

© luismolinero / stock.adobe.com

OFFENBURG / BERLIN. Die tödliche Messerattacke auf einen Allgemeinmediziner im baden-württembergischen Offenburg am Donnerstag hat die Debatte rund um Gewalt gegen Ärzte weiter angefeuert. "Der schreckliche Mord in Offenburg macht sprachlos und traurig", sagte KBV-Sprecher Dr. Roland Stahl der "Ärzte Zeitung". "Große Bestürzung" herrsche auch bei der Bundesärztekammer, teilte Sprecher Samir Rabbata mit.

Ulrich Weigeldt, Vorsitzender des Deutschen Hausärzteverbands, verurteilte der Messerangriff als "ein abscheuliches Verbrechen." Er sprach den Hinterbliebenen des Opfers sein Mitgefühl aus und wünschte der verletzten Mitarbeiterin eine rasche Genesung.

Eine Richterin hat derweil Haftbefehl wegen Mordverdachts gegen einen 26 Jahre alten Asylbewerber aus Somalia erlassen, der am Donnerstag nach kurzer Fahndung festgenommen wurde. Sein Motiv ist weiter unklar, ebenso, ob er ein Patient des Arztes war. Einen Termin hatte er laut Polizei zuvor nicht vereinbart.

Mit den jüngsten Ereignissen bekommt die Forderung von KBV und NAV-Virchow-Bund, die ambulant und stationär tätigen Ärzte in den neuen Straftatbestand "Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte" (Paragrafen 114 und 115 StGB) mit aufzunehmen, neues Gewicht. Dem hatten sich auch die Delegierten des Deutschen Ärztetages in Erfurt angeschlossen. Das 52. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches zur Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften ist am 30. Mai vergangenen Jahres in Kraft getreten.

Insgesamt sei eine "Verrohung im Umgang mit medizinischem Personal" zu verzeichnen, sagte Rabbata: "Auf den Straßen werden Rettungssanitäter und Notärzte angegriffen. Und in den Notfallambulanzen passiert es immer wieder, dass Leute wegen langer Wartezeiten sehr aggressiv werden. In einigen Krankenhäusern gibt es bereits Sicherheitsdienste, um das Personal dort zu schützen." Ärzte und Angehörige der Gesundheitsberufe verdienten Schutz vor Aggressionen und tätlichen Angriffen.

75 Fälle körperlicher Gewalt pro Tag

Die BÄK verweist darauf, dass die Landesärztekammern Deeskalationskurse und Sicherheitstrainings anböten. Die KBV hat die Erfahrung gemacht, dass viele Ärzte sich längst aktiv mit dem Thema Gewalt beschäftigen: "Sie haben häufig schon Deeskalationslehrgänge absolviert, mit ihren Praxisteams Verhaltensregeln vereinbart und besprochen", so KBV-Sprecher Stahl.

Wie oft Ärzte im Alltag von Gewalt betroffen sind, geht auch aus vorab veröffentlichten Ergebnissen des Ärztemonitors hervor, die im Mai vorgestellt wurden. Demnach kommt es pro Arbeitstag in deutschen Praxen statistisch zu 75 Fällen von körperlicher Gewalt gegen Mediziner und Angestellte. Die Veröffentlichung des Ärztemonitors, der das Thema Gewalt in der Praxis als Schwerpunkt hat, ist für 18. Oktober geplant.

Und auch berufspolitisch könnte der Fall Folgen haben: Schon werden erste Stimmen laut, das Thema Gewalt in Studium und Weiterbildung zu behandeln.

Lesen Sie dazu auch: Tödliche Messerattacke: KV und Kammer bestürzt über erstochenen Arzt Nach der Messerattacke auf einen Arzt bleiben Hintergründe noch unklar

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