Kritik prallt ab

War die Homöopathiedebatte nicht mehr als nur ein heftiger Sturm im Wasserglas?

Landauf, landab und quer durch alle TV-, Hörfunk-, Print- und Online-Formate schwappte in der jüngeren Vergangenheit eine Welle heftiger Homöopathiekritik. Der Bevölkerung war sie offenbar herzlich egal. Für Ärzte hat das etwas Positives.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Viele Patienten schätzen Globuli und wünschen sie ergänzend zur Schulmedizin.

Viele Patienten schätzen Globuli und wünschen sie ergänzend zur Schulmedizin.

© micha / Fotolia

Die Wissenschaft im Allgemeinen und und die Ärzteschaft im Speziellen sind in puncto komplementärer und alternativer Medizin (KAM) seit jeher gespalten: Für die einen sind zum Beispiel Homöopathika eine willkommene Ergänzung zur schulmedizinischen Behandlung, für die anderen sind Globuli – wegen der aus ihrer Sicht fehlenden wissenschaftlichen Evidenz – der Anfang vom Untergang des medizinischen Abendlandes. Letztere werden seit vergangenem Jahr besonders personifiziert mit der Münsteraner Medizinethikerin Professor Bettina Schöne-Seifert und ihrem Münsteraner Kreis.

Auf Basis seines vor Kurzem veröffentlichten "Münsteraner Memorandums Homöopathie" versuchte das Expertengremium, dem Wissenschaftler der verschiedensten akademischen Fachdisziplinen angehören, die Mitglieder des 121. Deutschen Ärztetages in Erfurt im Mai vor ihren Karren zu spannen und zur Abschaffung der Zusatzbezeichnung Homöopathie zu bewegen. "Der Ärztetag ist eine gute Gelegenheit, dem eigenen Anspruch an Wissenschaftlichkeit gerecht zu werden und endlich mit der Adelung der esoterischen Heilslehre Homöopathie Schluss zu machen", heißt es in dem Memorandum.

Die Ärztetagsdelegierten ließ diese Offerte herzlich kalt – eine Abschaffung wäre auch ein Affront gegen die laut Deutschem Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) mehr als 7000 Träger der Zusatzbezeichnung, Ärzte verschiedenster Fachrichtungen, gewesen.

Diesel-Fahrverbote regen mehr auf als Globuli

Der Münsteraner Kreis schaffte es durch die Radikalität und Rigorosität seiner Forderungen – neben der Abschaffung der Zusatzbezeichnung auch das Ende des Heilpraktikerberufs –, das große Interesse der Medien auf sich zu ziehen. Homöopathie schien Quote bringen zu können. So widmeten sich zig Fernseh- und Hörfunkformate der KAM und ließen Vertreter des Münsteraner Kreises, aber auch Befürworter der Homöopathie zu Wort kommen – und das teils durchaus fundiert.

Viele Beiträge zu dem Thema in Print- und Online- sowie Sozialen Medien befeuerten die Debatte. Die ganze – wahrnehmbare – Republik schien auf einmal über Globuli zu reden.

Und was hat das bewirkt? Welche Konsequenzen haben Homöopathiefreunde und Homöopathikanutzer aus dem harten medialen Schlagabtausch für sich gezogen? Fast gar keine – so drastisch könnte man es schon sagen. Denn: Wie jüngst eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Kantar TNS zum Thema Homöopathie und komplementäre Medizin im Auftrag des Homöopathika-Herstellers DHU ergab, nahm nur jeder vierte Erwachsene in Deutschland (26 Prozent) überhaupt eine homöopathiekritische Berichterstattung wahr.

Und das, obwohl es – wie berichtet – der großen Mehrheit der Deutschen (80 Prozent) wichtig ist, bei der Wahl ihrer Therapie und Arzneimittel mitentscheiden zu können. 64 Prozent legen dabei Wert darauf, dass ihr Hausarzt auch Präparate aus der Naturmedizin/Homöopathie einsetzen kann.

Das klingt auf den ersten Blick sehr widersprüchlich. Ist es aber offensichtlich nicht, denn die persönliche Betroffenheit und die Auswirkungen auf das tägliche Leben sind beim Thema Homöopathie weit weniger stark als zum Beispiel beim Dauer-Aufreger-Thema Diesel-Fahrverbote, die manchen Handwerkerexistenzen ein Ende bereiten könnten.

Wie zu erwarten war, nehmen mit 33 Prozent die Menschen in Deutschland, die Erfahrung mit Homöopathie haben, eine negative Berichterstattung deutlich häufiger wahr als Globuli-Laien – hier sind es nur 17 Prozent. Nach Geschlechtern betrachtet, ergibt sich kaum ein Unterschied: 25 Prozent der Männer und 27 Prozent der Frauen nahmen eine homöopathiekritische Berichterstattung nach eigener Aussage wahr.

Homöopathiekritik als zu einseitig empfunden

Der in der Studie bekundete Wunsch von knapp zwei Dritteln der Patienten zur Einbeziehung von Homöopathika spiegelt sich auch in der Bewertung der negativen Berichterstattung zu Globuli & Co wider. So sagen 15 Prozent derjenigen, die die Kritik zur Kenntnis genommen haben, die Berichterstattung sei eindeutig zu einseitig gewesen, 55 Prozent bekunden, es gebe kritische Punkte in der Homöopathie, aber die Kritik sei insgesamt zu einseitig. Nur 30 Prozent sagten, die Kritik sei in Ordnung, weil in der Sache richtig.

Für den Versorgungsalltag lässt sich daraus nur schlussfolgern, dass die Grundfesten der KAM-Behandlung in Deutschland nicht zu erschüttern sind. Evidenz hin oder her: Für viele Patienten ist Homöopathie offensichtlich eine Frage des Vertrauens zu ihrem Arzt – und zu dessen KAM-Votum. Das ist für Ärzte durchaus positiv.

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