Obwohl der Öffentliche Gesundheitsdienst mit einem Milliarden-Euro-Programm aufgewertet wird, bewerben sich Ärzte auf Stellenausschreibungen kaum. „Der ÖGD ist bereits bald ein arztfreier Raum“, heißt es beim Deutschen Ärztetag.
Berlin. Mit eindringlichen Appellen, die Attraktivität des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) als Arbeitsplatz für Ärzte deutlich zu erhöhen, hat sich der 125. Deutsche Ärztetag an Bund Länder und Kommunen gewandt.
„Der ÖGD ist bereits bald ein arztfreier Raum“, warnte die Leiterin des Kölner Gesundheitsamtes Dr. Anne Bunte. Die Gesundheitsämter würden „kaputtgespart“ hieß es aus dem BÄK-Vorstand.
Im Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst hatten Bund und Länder in der Pandemie vereinbart, die Dienste personell bereits bis Ende 2021 um 1500 Ärzte aufzustocken. Insgesamt sollen vier Milliarden Euro in die Modernisierung des ÖGD fließen, 5000 neue Arztstellen inbegriffen.
Kipp-Punkt in Sicht
Tatsächlich läuft das Hilfsprogramm trotz bereits ausgeschriebener Stellen nur schleppend an: „Niemand bewirbt sich“, sagte BÄK-Vizepräsidentin Dr. Susanne Johna. Das sei nicht verwunderlich, wenn Ärzte dort zwischen 1000 und 1500 Euro weniger im Monat verdienten als in Krankenhäusern oder beim Medizinischen Dienst. Hier müsse massiver Druck auf die öffentlichen Arbeitgeber ausgeübt werden.
Es gebe beim ÖGD einen „Point of no return“, warnte Johna, die auch Bundesvorsitzende der Klinikärztegewerkschaft Marburger Bund ist. Wenn in absehbarer Zeit alle Amtsärzte in den Ruhestand wechselten, gebe es keine Weiterbildung mehr auf diesem Gebiet.
Bessere Bezahlung überfällig
Der Ärztetag rief die kommunalpolitischen Verantwortungsträger und die Tarifpartner dazu auf, im ÖGD für Ärztinnen und Ärzte attraktive Vergütungen auszuloben, vergleichbar denen anderer ärztlicher Arbeitsfelder. Die Corona-Pandemie habe gezeigt, dass außer der ambulanten und stationären Versorgung auch der ÖGD eine unverzichtbare Funktion im Gesundheitsschutz und der Daseinsvorsorge in Deutschland spiele.
Kürzlich hatte auch der Beirat „Pakt für den ÖGD“ in einem Report gefordert, die Arbeit der Amtsärzte besser zu bezahlen. Nur so ließen sich neue Ärzte für die Aufgabe gewinnen. (af)
125. Deutscher Ärztetag
Die Ärztetag in Bildern: Impressionen aus dem Estrel in Berlin-Neukölln.
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Die "Ärzte Zeitung" gehört zum Deutschen Ärztetag einfach dazu: Delegierte lesen unsere Ausgabe.
„Sie haben in den vergangenen 1,5 Jahren Außerordentliches geleistet“ - mit diesen Worten an die Ärztinnen und Ärzte in Kliniken, Praxen, im Öffentlichen Gesundheitsdienst und in der Forschung eröffnet Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), den 125. Deutschen Ärztetag in Berlin.
Der BÄK-Präsident im Fokus der Kameras. In seiner Rede fordert Dr. Klaus Reinhardt einen zügigen Krankenhausgipfel. Denn: Die Krankenhäuser seien durch einen Mix aus pauschalierten Vergütungskomponenten zur Deckung von fallzahlunabhängigen Vorhaltekosten, einem fallzahlabhängigen Vergütungsanteil sowie einem Budget zur Strukturqualität finanziell besser aufzustellen.
Die Ärzte haben erhebliche Probleme mit der Digitalisierung – zumindest vor Ort beim 125. Ärztetag. Technische Schwierigkeiten beim WLAN sorgen dafür, dass die Abläufe geändert werden müssen.
Wie werden sich die Koalitionsverhandlungen im Gesundheitswesen auswirken? Darüber wird bei der von Jürgen Zurheide (l.) moderierten Podiumsdiskussion mit mehreren Landesgesundheitsministerinnen und -ministern sowie dem BÄK-Präsidenten Dr. Klaus Reinhardt (r.) diskutiert. Dabei mahnt Ministerin Ursula Nonnenmacher aus Brandenburg Abrechnungsziffern für eine sektorübergreifende Versorgung an – oder Regionalbudgets.
Die zugeschaltete Bremer Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard erklärt, ihr Bundesland habe sich bereits „auf die Socken“ gemacht, ambulante und stationäre Leistungen in Gesundheitszentren stärker zu mischen.
Ein großes Thema an Tag eins des 125. Deutschen Ärztetags: Die Gefahren der Kommerzialisierung. Es häufen sich Übernahmen von Arztpraxen und anderen Gesundheitseinrichtungen durch private Investoren, beklagen Delegierte. Ihr Appell: Der Gesetzgeber soll eingreifen.
Über alle wichtigen Anträge, Debatten und Beschlüsse des 125. Deutschen Ärztetags berichtet natürlich die "Ärzte Zeitung" – unter www.aerztezeitung.de oder auch in den Printausgaben.
Diskussion über organisatorische Fragen: BÄK-Geschäftsführerin Dr. Katrin Bräutigam (sitzend, links) und BÄK-Präsident Dr.Klaus Reinhardt (sitzend, rechts) im Austausch.
Die Wahlkabinen warten: Gewählt wird der neue oder die neue BÄK-Vize. Mit 157 Stimmen wird Dr. Günther Matheis, Thoraxchirurg und Kammerpräsident aus Rheinland-Pfalz, zum Nachfolger von Heidrun Gitter bestimmt.
Ärztinnen und Ärzte für die Zukunft: Aktivisten von Health for Future und das Präsidium der Bundesärztekammer setzen am Dienstag vor dem Ärztetag in Berlin ein Zeichen.
Höhen- oder Sturzflug? – Wohin steuert unsere Gesundheitsversorgung und was bedeutet das für Patient:innen? Darüber diskutierten wir im Janssen Open House mit Mediziner:innen, Patient:innen und weiteren relevanten Akteur:innen aus dem Gesundheitswesen. Hier geht’s zum Video.
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In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
In besserer Digitalisierung schlummern riesige Chancen für die Gesundheitsversorgung in Deutschland. Zwei Gesetzesschwalben machen aber noch keinen bürokratiefreien Sommer.
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