DGIM-Kongress

Gefährdet Ökonomisierung das Berufsethos?

Wie gelingt es Ärzten, dem wachsenden ökonomischen Druck im Arbeitsalltag zu widerstehen? Thema bei der Festveranstaltung zum Internistenkongress.

Christoph FuhrVon Christoph Fuhr Veröffentlicht:
Wie gelingt es Ärzten, dem wachsenden ökonomischen Druck im Arbeitsalltag zu widerstehen?

Wie gelingt es Ärzten, dem wachsenden ökonomischen Druck im Arbeitsalltag zu widerstehen?

© R. Emprechtinger / Fotolia

Das hat es in der langen Geschichte des Internistenkongresses sicher noch nicht gegeben. Ein Diabetologe aus Island ergriff bei der festlichen Abendveranstaltung das Wort und bestellte Grüße von der European Federation of Internal Medicine (EFIM). Professor Runolfur Palsson ist Präsident dieses Verbandes, der 2018 seinen Jahreskongress in Wiesbaden ausrichten wird. Kongresspräsidentin Professor Petra-Maria Schumm-Draeger wertete die Wahl des Tagungsortes als "hohe internationale Wertschätzung für die deutsche Innere Medizin und ihre Organisationen".

Wie gefährdet ist der medizinische Berufsethos durch die zunehmende Ökonomisierung? Der Philosoph Professor Julian Nida-Rümelin erläuterte in einem viel beachteten Festvortrag, wo er die Kernherausforderungen in diesem Spannungsfeld sieht.

Das Arzt-Patient-Verhältnis ist, ob man es will oder nicht, ein Vertrauensverhältnis, sagte Nida-Rümelin: "Wenn ich davon ausgehe, dass der Arzt mir immer das empfiehlt, was ihm den größten Nutzen bringt, ist dieses Vertrauensverhältnis zerstört."

Zerstörtes Vertrauen

Zerstörtes Vertrauen könne sich durchaus auch in der Beziehung etwa zwischen Kunden und einem Kfz-Mechaniker entwickeln. Bei genauerer Betrachtung sei die Situation aber keinesfalls deckungsgleich. "Mit Blick auf das Arzt-Patient-Verhältnis hat Vertrauen eine existenzielle Dimension", stellte er klar .

Eine umfassende Ökonomisierung sei unvereinbar mit den medizinischen Normen und Bedingungen medizinischer Praxis: Dazu gehörten Vertrauen, Kooperation und Verlässlichkeit, so Nida-Rümelin, der zu den renommiertesten Philosophen in Deutschland gehört. "Man kann den einzelnen behandelnden Arzt nicht zum Erfüllungsgehilfen ökonomischer Optimierungsstrategien machen", sagte er und erntete donnernden Applaus.

Ärzten wünsche er folgende Einsicht: "Wir handeln vernünftig, wir setzen Ressourcen sparsam und nicht leichtfertig ein, wir verschwenden sie nicht. Wir kommunizieren mit Patienten wahrhaftig und vertrauensvoll, wir erwarten einen Vertrauensvorschuss". Ärzte seien nicht lediglich Vertragspartner mit Rechtsanwälten im Hintergrund, die auf Fehler lauern. Ziel sei eine gesündere, bessere und humanere Welt: "Auf diesem Wege kommen wir nicht voran, ohne Vertrauensvorschuss, Berufsethos und eine ökonomische Praxis, die eingebettet bleibt in Strukturen von Kooperation und Vertrauen", so Nida-Rümelin, der Philosophie und politische Theorie an der Uni München lehrt.

Kongresspräsidentin Schumm-Draeger stellte ergänzend klar, dass der Patient aus vielerlei Gründen das Produkt medizinischer Hilfe nicht frei auswählen und erwerben könne wie ein Kleidungsstück oder eine belanglose Dienstleistung. "Der Patient ist mehr als nur ein Konsument", sagte sie. Wenn die Indikationsstellung für Diagnostik und Therapie aus ökonomischen Gründen optimiert werde, komme es zu fundamentalen Störungen im Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient. Im schlimmsten Fall könne eine optimierte Diagnose und Behandlung zur Fehldiagose und Fehlbehandlung werden, die den Patienten nur schädige.

"Wir Ärzte haben nichts gegen Ökonomie in der Medizin, wohl aber gegen Merkantilismus – und das ist das Problem, was wir beackern müssen", sagte der Präsident der Bundesärztekammer Professor Frank-Ulrich Montgomery in seinem Grußwort.

Und BDI-Chef Dr. Hans-Friedrich Spies wies darauf hin, dass der Arzt in unserem ökonomisch dominierten System der wichtigste Garant für die individuelle Patientenversorgung sei. Spies: "Er ist ein Qualitätsparameter erster Ordnung. Er allein ist durch seine Berufsordnung verpflichtet, seine Entscheidung am Patienten auch ohne wirtschaftliche Beeinflussung zu treffen und hat die Entscheidung direkt dem Patienten zu vermitteln."

Auch in diesem Jahr wurden wieder Ärzte für besondere Verdienste geehrt. Die Leopold-Lichtwitz-Medaille erhielt für sein Lebenswerk Professor Heiner Greten – er ist Chairman im Hanseatischen Herzzentrum der Asklepios Klinik St. Georg in Hamburg

Frerichs-Preis für zwei Forscher

Der mit 30 000 Euro dotierte Theodor-Frerichs-Preis wurde in diesem Jahr an zwei Darmforscher verliehen. Professor Samuel Huber aus Hamburg fand heraus, dass Patienten mit chronischen Darmerkrankungen zu viel Interleukin-22-Bindeprotein bilden. Professor Sebastian Zeißig aus Dresden konnte nachweisen, dass Darmbakterien ein möglicher Auslöser von Krebserkrankungen bei Colitis ulcerosa sind. Mit dem Präventionspreis der DGIM wurde Professor Jonel Trebicka von der Uni Bonn geehrt. Ein von ihm entwickelter Test kann besser vorhersagen, ob die Gabe von Betablockern, die Menschen mit Leberzirrhose vor tödlichen Blutungen aus der Speiseröhre schützen sollen, wegen damit verbundener Risiken sinnvoll ist oder vermieden werden sollte.

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Kommentare
Heidemarie Heubach 02.05.201712:32 Uhr

Na endlich, Herr Prof.Montgomery !

- dieses klare Statement war lange überfällig !

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