HINTERGRUND

Antikörper blocken Entzündungszellen bei Rheuma - den Erfolg sieht man weiß auf schwarz im Röntgenbild

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:

Die Therapie mit modernen Antikörpern, die sich gegen unterschiedliche Moleküle in der Entzündungskaskade richten, lindert bei vielen Patienten mit Rheumatoider Arthritis die Beschwerden. Zum Teil werden sie nach jahrelanger Schmerz-Odyssee so zum ersten Mal wieder schmerzfrei.

Für die Bewertung der Therapie zählen langfristig allerdings nicht nur die Symptome. Mindestens genauso wichtig ist, ob strukturelle Veränderungen der Gelenke vermieden oder zumindest herausgezögert werden.

Studien zum Effekt von Rituximab und Abatacept

Für Antikörper gegen Tumornekrosefaktor alpha (TNF alpha), ein die Entzündung förderndes Zytokin, oder gegen den TNF alpha-Rezeptor konnte dieser Effekt unter anderem bei Patienten mit Rheumatoider Arthritis (RA) bereits demonstriert werden.

Auf der Jahrestagung der Europäischen Rheumaliga (EULAR) in Amsterdam wurden jetzt zwei Studien mit den Biologicals Rituximab und Abatacept vorgestellt. Rituximab hat, wie berichtet, vor wenigen Tagen die Empfehlung des CHMP (Committee für Human Medical Products) zur Zulassung für die RA-Therapie erhalten.

Für Abatacept sind die Unterlagen für die EU-Zulassung eingereicht. Beide Substanzen greifen auch in die Kaskade der entzündlichen Prozesse bei RA ein, setzen aber nicht am TNF alpha-System an. Trotzdem haben wohl auch sie bei RA radiologisch nachweisbare Effekte.

Mit dem Biological treten weniger Erosionen auf

Eine der beiden Studien trägt den Namen REFLEX. Dieses Akronym steht für Randomised Evaluation of Longterm Efficacy of Rituximab. In der Studie wurde bei über 500 Patienten der Antikörper Rituximab in Kombination mit einer Methotrexat-Dauertherapie mit einer Methotrexat-Monotherapie verglichen. Rituximab bindet an das CD20-Antigen von B-Zellen, wodurch viele dieser für die Entzündungsreaktionen bei RA wichtigen Zellen zerstört werden.

Klinisch schnitten die mit Rituximab behandelten Patienten bei verschiedenen RA-Scores wesentlich besser ab als jene, die nur Methotrexat (MTX) bekamen. Das war bereits bekannt. Mit der in Amsterdam präsentierten Auswertung ist jetzt zusätzlich belegt, daß mit Rituximab nach 56 Wochen radiologisch weniger Erosionen vorhanden sind und auch eine geringere Tendenz zur Gelenkspaltverschmälerung besteht. Die entsprechenden radiologischen Scores legten bei Rituximab-Therapie nur etwa halb so stark zu wie bei MTX-Monotherapie.

"Diese Ergebnisse zeigen, daß eine Behandlung mit Rituximab plus Methotrexat mit einer statistisch signifikanten Verringerung der strukturellen Gelenkschädigung bei RA-Patienten einher geht", sagte der Studienleiter Professor Edward Keystone von der Universität Toronto in Kanada. Aufgrund des Designs der REFLEX-Studie gilt diese Aussage derzeit allerdings nur für RA-Patienten, die auf konventionelle Therapien und auf anti-TNF-alpha-Strategien nicht angesprochen haben.

Ein ganz ähnliches Ergebnis liefert die neueste Auswertung der AIM-Studie mit dem Biological Abatacept. AIM steht für Abatacept in Inadequate responders to Methotrexate. In dieser Studie wurde das Biological bei RA-Patienten angewandt, die nicht auf MTX angesprochen hatten. Abatacept greift hemmend in die Stimulation von T-Zellen ein, die ebenfalls zur Entstehung struktureller Gelenkschäden bei RA beitragen.

In der AIM-Studie wurden 652 Patienten ein Jahr lang mit 10 mg Abatacept pro Kilogramm Körpergewicht oder mit Placebo behandelt. Zusätzlich nahmen alle Patienten MTX ein. Nach einem Jahr wurde die Studie offen weitergeführt. Insgesamt 539 Patienten erhielten dann für ein weiteres Jahr Abatacept plus MTX.

Bereits nach einem Jahr zeigte sich ähnlich wie in der Rituximab-Studie, daß das Biological die Zunahme radiologischer Veränderungen - verglichen mit den Befunden in der Placebo-Gruppe - um etwa die Hälfte verlangsamte. Besonders ermutigend sind allerdings die Ergebnisse nach zwei Jahren: "Bei den Patienten, die Abatacept zwei Jahre erhalten hatten, zeigte sich nur eine minimale radiologische Progression im zweiten Jahr", sagte Studienleiter Professor Harry Genant aus San Franzisko in den USA. Das lege den Schluß nahe, daß der schützende Effekt der Substanz im Laufe der Zeit eher noch zunehme, so Genant.

Ein weiterer Hoffnungsträger heißt Tocilizumab

Bisher keine radiologischen Daten gibt es für das neue Biological Tocilizumab, das an den Rezeptor des immunologischen Botenstoffs Interleukin 6 bindet. Eine japanische Studiengruppe präsentierte in Amsterdam erstmals Daten einer doppelt verblindeten Phase-III-Studie mit 120 Patienten mit aktiver RA. Sie erhielten entweder eine Tocilizumab-Monotherapie oder eine MTX-Monotherapie.

Nach 24 Wochen - über diese Zeitspanne war die Studie angelegt - hatten die Patienten mit Tocilizumab signifikant bessere Asprechraten: Eine 20prozentige Besserung im Score ACR hatten nämlich 80 Prozent der Patienten mit Tocilizumab, aber nur 25 Prozent der Patienten mit MTX-Monotherapie. Eine 70prozentige Verbesserung des ACR erreichten mit Tocilizumab immerhin 30 Prozent, mit MTX nur sechs Prozent. Für den ACR-Score werden etwa die Zahl der schmerzhaften und geschwollenen Gelenke und die Funktionseinschränkung berücksichtigt.



FAZIT

Moderne Biologicals können bei Rheumatoider Arthritis nicht nur Symptome lindern, sondern auch Gelenke schützen. Bekannt ist das schon für anti-TNF-alpha-Strategien. Nach den beim Europäischen Rheumatologen-Kongreß vorgelegten Daten ziehen jetzt zwei Therapien mit anderen Angriffspunkten nach. Weitere werden bereits klinisch geprüft.

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