DGSM-Jahrestagung
Bedarf an Schlafmedizin nimmt zu
Finanzielle Sorgen, Kriege, Klimakrise und Krankheiten – die Stressfaktoren werden nicht weniger. Das wirkt sich auch auf die Schlafqualität vieler Menschen aus. Schlafforscher und Schlafmediziner fordern erhöhte Wachsamkeit.
Veröffentlicht:
Augen zu und durch. Doch Schlafstörungen nehmen stetig zu.
© Jürgen Fälchle / Generated with AI / Stock.adobe.com
Berlin. Fachleute rechnen mit einem steigenden Bedarf an schlafmedizinischer Unterstützung. „Der Schlaf wird schlechter“, sagte Professor Ingo Fietze am Montag in Berlin. Er leitet das Interdisziplinäre Schlafmedizinische Zentrum an der Berliner Charite und ist Ko-Präsident der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM), die am Donnerstag in der Hauptstadt beginnt.
Durch Stress und Umweltfaktoren habe die durchschnittliche Schlafdauer in den vergangenen zwei Jahren um vier Minuten abgenommen. Fietze bezieht sich auf eine neue Studie des Tech-Konzerns Samsung, der die Daten von Schlaftrackern ausgewertet hat. Demnach liege die Schlafzeit nun bei durchschnittlich sechs Stunden und 59 Minuten pro Nacht. Sechs Stunden gelten als Minimum für gesunden Schlaf, empfohlen werden sieben, acht gelten als ideal.
Mehr Wachzeit im Schlaf
„Die Verkürzung hängt nicht damit zusammen, dass die Menschen später ins Bett gehen oder früher aufstehen - sondern mit mehr Wachzeit im Schlaf“, erläutert Fietze. Schon jetzt sei Insomnie eine der häufigsten psychischen Erkrankungen nach Angststörungen und Depressionen, so die Chefärztin der Nürnberger CuraMed-Tagesklinik, Kneginja Richter.
Durch verbreitete Vorurteile scheuten sich viele Menschen jedoch, offen darüber zu sprechen. Häufig seien Schlafstörungen auch Vorboten einer psychiatrischen Diagnose, mahnt Richter: „Wenn wir rechtzeitig darauf achten, können wir klinischen Depressionen und Gedächtnisstörungen bis hin zur Demenz vorbeugen.“ So würden während des Tiefschlafs sogenannte giftige Stoffe ausgeschiedene, die die Nervenzellen schädigten.
Die Psychologin verweist zudem auf Post-Covid-Depressionen: Rund ein Drittel derjenigen, die direkt vom Coronavirus betroffen waren, leide an Schlafstörungen. Manche hätten ihren Schlafrhythmus völlig verloren, anderen mache Einsamkeit zu schaffen, wieder andere seien von chronischer Erschöpfung betroffen.
Auch Betriebsmedizin gefordert
Die Anfragen hierzu nehmen laut Richter zu. Das Bild sei häufig komplex: Manche Betroffenen kämen nicht aus dem Bett, andere beklagten vor allem, kaum klar denken zu können, bei vielen sei die Stimmung massiv gedrückt.
Insomnie lasse sich gut behandeln, etwa durch Kurzzeit-Psychotherapie oder neuartige Medikamente. Auch Unternehmen sollten Schlafgesundheit fördern, fordert Richter, insbesondere bei Schichtarbeiterinnen und -arbeitern. Zudem ließen sich die Vorzüge der Digitalisierung in der Schlafmedizin besonders gut nutzen, betont der Vorstand der Fachgesellschaft, Thomas Penzel. Für Apps, die mitunter bereits verschreibungsfähig seien, brauche es Qualitätskriterien, die es künftig zu entwickeln gelte. (KNA)