INTERVIEW

"Das MCI-Konzept ist nicht scharf genug"

Bislang ist es schwierig, Patienten mit eine Prädemenz eindeutig zu erkennen. Das schmälert die Aussagekraft von Arzneistudien bei Patienten mit leichten kognitiven Einschränkungen (MCI), berichtet der Gerontopsychiater Professor Lutz Frölich aus Mannheim.

Veröffentlicht:

"Wir brauchen eine Alzheimerdiagnostik, die unabhängig vom Phänotyp ist." Zur Person Professor Lutz Frölich ist Leiter der Abteilung für Gerontopsychiatrie des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit Mannheim.

Ärzte Zeitung: Überrascht es Sie, dass eine neue Meta-Analyse keinen großen Nutzen für eine Therapie mit Cholinesterase-Hemmern bei MCI findet?

Professor Lutz Frölich. Nein. Man kann durch die Analyse von Studien mit primär negativen Ergebnissen kaum zu einem positiven Ergebnis kommen. Ich glaube aber, dass sich für Patienten mit einer Alzheimer-Prädemenz schon ein positiver Effekt finden lässt. Diesen kann man jedoch durch die diagnostischen Unsicherheiten bei MCI, die zu unklaren Ein- und Ausschlusskriterien in MCI-Studien führen, nicht gut darstellen. Zu den MCI-Patienten zählen ja auch viele Patienten ohne echte Demenz. Das verwässert den Effekt. Und damit sind die Ergebnisse auch in Studien mit großen Patientenzahlen nicht signifikant.

Ärzte Zeitung: Liegt es also am Konzept der MCI, dass in solchen Studien wenig herauskommt?

Frölich: Das ist ein wesentlicher Punkt. Das MCI-Konzept ist nicht scharf genug. Man will ja mit den Medikamenten eigentlich nicht MCI-Patienten behandeln, sondern Menschen mit einer Morbus-Alzheimer-Prädemenz. Inzwischen gibt es neue diagnostische Forschungskriterien zur Alzheimer-Krankheit. Sie basieren auf einem anamnestischen MCI-Syndrom plus Liquor- oder anderen Biomarkern. Das wäre eine Weiterentwicklung des bisherigen MCI-Konzeptes hin zu einer Alzheimerdiagnostik unabhängig vom Phänotyp.

Ärzte Zeitung: Lohnt es sich dann überhaupt noch, Studien mit Antidementiva bei Patienten mit rein klinisch definierter MCI zu machen, solange man sich nicht auf ein besseres Konzept zur Prädemenz geeinigt hat?

Frölich: Hier bewegt man sich tatsächlich in einem Spannungsfeld zwischen einer pathophysiologisch begründeten Demenzdiagnostik und dem, was in der Praxis machbar ist. Wir sind in Deutschland kurz davor, eine MCI-Studie mit Statinen zu starten. Da haben wir lange überlegt, ob wir bei der Diagnostik auch Liquormarker mit einbeziehen. Das macht jedoch keinen Sinn, weil Ärzte in der Praxis nicht erst eine Liquordiagnostik machen, bevor sie ein Antidementivum verordnen.

Wir haben uns aus diesem Grund entschieden, die MCI-Diagnose nach den Winblad-Kriterien zu machen, das heißt ohne Biomarker. Das ist nicht befriedigend. Aber vorerst muss man sich bei der MCI-Diagnose auf den Phänotyp konzentrieren. (mut)

Zur Person

Professor Lutz Frölich ist Leiter der Abteilung für Gerontopsychiatrie des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit Mannheim.

Foto: hsr

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

„ÄrzteTag“-Podcast

Wie erkenne ich Schmerzen bei Menschen mit Demenz, Professorin Miriam Kunz?

Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: FIB-4 1,3: numerische 26%ige Risikoreduktion der 3-Punkt-MACE durch Semaglutid 2,4mg

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [17]

Kardiovaskuläre, renale und hepatische Komorbiditäten

Therapie der Adipositas – mehr als Gewichtsabnahme

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novo Nordisk Pharma GmbH, Mainz
Abb. 1: Risikoreduktion durch Bempedoinsäure gegenüber Placebo in der CLEAR-Outcomes-Studie für den primären 4-Komponenten-Endpunkt (A) und den sekundären 3-Komponenten-Endpunkt (B) stratifiziert nach Diabetes-Status

© Springer Medizin Verlag

Diabetes mellitus

Bempedoinsäure: Benefit für Hochrisiko-Kollektive

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Daiichi Sankyo Deutschland GmbH, München
7-Jahres-Daten belegen günstiges Nutzen-Risiko-Profil von Ofatumumab

© Vink Fan / stock.adobe.com

Aktive schubförmige Multiple Sklerose

7-Jahres-Daten belegen günstiges Nutzen-Risiko-Profil von Ofatumumab

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novartis Pharma GmbH, Nürnberg
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Zum Jahresstart

Das ändert sich 2026 für Praxen

Lesetipps
Eine Person hält drei Figuren in den Händen

© Suriyo/stock.adobe.com

Man kann nicht nicht führen

Mitarbeiterführung in der Arztpraxis: Tipps für Praxisinhaber

Frau telefoniert

© Matthias Balk / picture alliance

Kontakt mit Patienten

Arztpraxis ohne Telefon: Kann das funktionieren?