Der Standpunkt

Das letzte Heimspiel

Rudi Assauers Alzheimer-Bekenntnis hat die Demenz in den Fokus der Öffentlichkeit geführt. Das ist gut, meint Thomas Müller. Doch anstatt nur über das Schicksal des Ex-Managers zu berichten, sollte folgende Frage diskutiert werden: Was kann die Gesellschaft tun, um Demenzkranken ein Leben in Würde zu ermöglichen?

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Thomas Müller ist Redakteur für die Fachgebiete Neurologie und Psychiatrie bei Springer Medizin. Schreiben Sie ihm: thomas.mueller@ springer.com

Es ist schon erstaunlich, dass es erst jemanden aus der Welt des Profi-Fußballs erwischen muss, damit sich die Öffentlichkeit für eine tabuisierte Erkrankung interessiert. Nach Depression und Burn-out entdeckt Deutschland nun also die Demenz.

Man kann nur hoffen, dass Alzheimer und Co nicht gleich wieder vergessen werden, sobald Talkshows und Boulevardblätter Rudi Assauers Schicksal erschöpfend ausgeschlachtet haben.

Denn jeder Dritte, der das letzte Heimspiel des Schalkers von der medialen Tribüne aus verfolgt, wird eines Tages selbst auf den Platz gerufen, um einem Gegner ins Auge zu schauen, den er nicht bezwingen kann.

Dieses Finale im eigenen Kopf kann man allenfalls in Würde bestreiten, was aber nicht mehr in den eigenen Händen liegt. Und genau hier beginnen die Probleme, über die es sich wirklich zu diskutieren lohnt: Was tut die Gesellschaft, was kann sie tun, um Demenzkranken ein Leben in Würde zu ermöglichen?

Es fällt nicht schwer, eine große Lücke zwischen dem Möglichen und dem bisher Ermöglichten zu finden. So wird in den Leitlinien für jeden Demenzkranken eine Bildgebung gefordert, schon um heilbare Ursachen auszuschließen.

Aber nur 10 bis 15 Prozent der Demenzpatienten erhalten ein CT oder MRT. Kein Wunder, dass nach Studiendaten nur jeder zweite Patient mit klinisch gestellter Diagnose Demenz tatsächlich demenzkrank ist, viele haben auch nur Seh- oder Hörprobleme.

Die meisten Demenzkranken werden zudem falsch behandelt. Statt Antidementiva bekommen sie Neuroleptika, was gerade für ältere Menschen höchst problematisch ist.

Dafür darf man aber nicht leichtfertig Ärzte an den Pranger stellen, schließlich gab es und gibt es einen politisch gewollten Druck, Antidementiva nicht zu verordnen. Das ändert sich vielleicht, nachdem solche Arzneien jetzt auch generisch erhältlich sind.

Es wird Zeit, sich ehrlich Gedanken zu machen, was uns die Versorgung Demenzkranker wert ist. Schon weil Rudi Assauers Schicksal mit recht hoher Wahrscheinlichkeit auch unseres wird. Das sollten wir nicht vergessen.

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