Depressionen machen langsam das Herz kaputt

Depressionen erhöhen für Patienten nach einem Herzinfarkt das Re-Infarkt-Risiko, sind offenbar aber auch schon für Entstehung und Progression einer KHK von Bedeutung.

Dr. Marlinde LehmannVon Dr. Marlinde Lehmann Veröffentlicht:
Wieder fix und fertig: Da leidet nicht nur die Seele .

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© Linda Macpherson / fotolia.com

NEUHERBERG. Depressionen sind nicht gut für das Herz. Bei Koronarpatienten, die einen Herzinfarkt überlebt und gleichzeitig Depressionen haben, ist dies mittlerweile eine weitgehend akzeptierte Tatsache.

Sie haben nicht nur eine schlechtere Lebensqualität als Patienten ohne Depressionen, sondern auch häufiger pektanginöse Beschwerden, ein erhöhtes Risiko für einen Re-Infarkt und schließlich ein erhöhtes Letalitätsrisiko, erinnern Professor Karl-Heinz Ladwig vom Deutschen Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt in Neuherberg und seine Kollegen (Bundesgesundheitsbl 2011; 1: 59).

Weniger klar ist die Datenlage zur Frage, ob Depressionen auch ein Risikofaktor für Entstehung und Progression der koronaren Herzerkrankung bei scheinbar herzgesunden Patienten sind. Einiges spricht dafür.

Nimmt man bisher vorliegende epidemiologische Daten unter die Lupe, so ergibt sich aus vier Metaanalysen, dass das Risiko für ein Neuauftreten einer KHK bei Probanden mit Depressionen - besonders bei scheinbar gesunden Männern - im Vergleich zu Nicht-Depressiven um den Faktor 1,6 bis 1,9 erhöht ist, berichten Ladwig und seine Kollegen. Erklärungsansätze, warum auch bei Herzgesunden Depressionen aufs Herz schlagen, sind dabei:

• Depressive Menschen ernähren sich schlechter. Sie bewegen sich weniger und rauchen mehr als nicht-depressive. In der Folge haben sie überzufällig häufig weitere klassische kardiovaskuläre Risikofaktoren. Bei Depressiven sei zum Beispiel das relative Risiko, an Diabetes mellitus zu erkranken, im Vergleich zu Nicht-Depressiven um 37 Prozent erhöht, so das Team um Ladwig.

• Außerdem haben Depressive auch eine schlechtere Medikamenten-Compliance als Nicht-Depressive. Bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom etwa sei beobachtet worden, dass innerhalb der Beobachtungszeit von drei Monaten eine Minderung der depressiven Symptome auch eine bessere Medikamenten-Compliance nach sich zieht, so Ladwig und seine Kollegen.

Zu berücksichtigen seien auch drei zentrale psychobiologische Pathomechanismen, die bei depressiven Herzgesunden im Vergleich zu nicht-depressiven auffallen, und die Entstehung und Progression einer KHK fördern können. Dazu gehören:

• Hyperregulation des autonomen Nervensystems mit erhöhter Herzfrequenzrate, überschießenden Herzfrequenzanstiegen und erniedrigter Herzfrequenzvariabilität (HRV). Eine erniedrigte HRV gelte als Ausdruck einer erhöhten sympathikotonen und einer reduzierten vagalen Aktivität, erinnern Ladwig und seine Kollegen.

Beides begünstige besonders bei Patienten mit KHK maligne Arrhythmien und damit die Gefahr des plötzlichen Herztodes. Die HRV scheine bei depressiven Patienten generell erniedrigt zu sein, was für eine gestörte Anpassungsfunktion des Herzens an sich ändernde Belastungsbedingungen spreche.

• Überschießende Stressantworten des endokrinen Systems, besonders der Hypophysen-Nebennieren-Achse. Viele depressive Patienten hätten zum Beispiel dauerhaft erhöhte Kortisolkonzentrationen, so die Forscher um Ladwig.

Dies führe zu metabolischen Veränderungen, die in ihrer Gesamtheit das Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen deutlich erhöhen, etwa zu Veränderungen des Lipidprofils in Richtung einer Dyslipidämie mit erhöhten LDL und erniedrigten HDL-Werten.

• Dauerhafte subklinische Erhöhung der Spiegel von Entzündungs-Parametern (Akute-Phase-Proteine; proinflammatorische Zytokine) mit Veränderungen des Gerinnungssystems, unter anderem durch Thrombozytenaktivierung. Depressive und ängstliche Patienten hätten bereits nach mildem körperlichen oder mentalen Stress ein unphysiologisch aktiviertes Gerinnungssystem, so das Team um Ladwig.

Depressive sind künftige Herzkranke

Bei KHK-Risiko:
Bei bekannter KHK:

Anhaltende Depressionen erhöhten auch das Risiko für eine endotheliale Dysfunktion, bekannterweise eine Vorstufe der Atherosklerose. Und: Letztlich könnten auch unerwünschte Effekte von Antidepressiva von Bedeutung bei Entwicklung und Progression einer KHK sein.

So sei besonders bei Antidepressiva der früheren Generation, besonders bei trizyklischen Antidepressiva, aber auch bei SSRI, Vorsicht geboten, so Ladwig und seine Kollegen.

Trotzdem gehörten SSRI zur ersten Wahl antidepressiver Arzneien bei Koronarpatienten. Zu den Pluspunkten der SSRI zählten positive pleiotrope Effekte wie eine gerinnungshemmende Wirkung auf die Thrombozyten.

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Kommentare
Dr. Ralf Hettich 03.02.201107:19 Uhr

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