WHO zu neuer Therapieoption

Dexamethason: WHO feiert Erfolg bei schwerer COVID-19

Dexamethason ist offenbar das erste Medikament, das nach Studiendaten mit hohem Evidenzniveau die Sterberate bei schwerem COVID-19-Verlauf senkt. Die WHO sieht nach Präsentation der vorläufigen Ergebnisse einen Durchbruch.

Wolfgang GeisselVon Wolfgang Geissel Veröffentlicht:
Mechanische Beatmung auf der Intensivstation: Dexamethason hat hier die Sterberate bei COVID-19 um ein Drittel reduziert.

Mechanische Beatmung auf der Intensivstation: Dexamethason hat hier die Sterberate bei COVID-19 um ein Drittel reduziert.

© Kiryl Lis/stock.adobe.com

Genf / Oxford. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) begrüßt in einer Mitteilung die vorläufigen Ergebnisse der RECOVERY-Studie aus England zur lebensrettenden Wirkung von Dexamethason bei schwerkranken COVID-19-Patienten. Nach den Daten lässt sich mit dem Steroid bei Betroffenen, die mechanisch beatmet werden müssen, die Sterberate um knapp ein Drittel reduzieren, bei etwas leichter erkrankten Patienten mit Sauerstoffgabe um etwa ein Fünftel.

„Dies ist die erste Behandlung, mit der sich die Mortalität bei schwerkranken COVID-19-Patienten, die Sauerstoff oder eine mechanische Beatmung brauchen, senken ließ“, wird WHO-Generaldirektor Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus in der Mitteilung zitiert: „Das sind großartige Nachrichten, und ich gratuliere der britischen Regierung, der Universität Oxford und den vielen teilnehmenden Kliniken und Patienten für diesen Durchbruch“, so Ghebreyesus.

Überschießendes Immunsystem wird unterdrückt

Auch deutsche Ärzte und Infektiologen haben die vorgestellten Daten zu dem Steroid begrüßt. In einer Mitteilung des „Science Media Centers“ (SMC) kommentiert der Infektiologe Professor Clemens Wendtner von der München Klinik Schwabing: „Dieser Benefit von Steroiden bei COVID-19-Patienten wird am ehesten auf eine Unterdrückung eines überschießenden Immunsystems in der späten Krankheitsphase zurückzuführen sein und ist damit vermutlich ein indirekter, nicht primär gegen das Virus gerichteter Effekt.

In dieser sogenannten Hyperinflammationsphase werden durch Steroide einschießende Immunzellen, nicht zuletzt in der Lunge, abgetötet, sodass in einem Teil der Patienten ein tödliches Lungenödem verhindert werden kann. Auch wenn diese einfache und billige Maßnahme bei schwerem Lungenödem – dem sogenannten ARDS (acute respiratory distress syndrome) – nach verschiedenen Infektionserkrankungen häufig auf Intensivstation Anwendung findet, wird der Mehrwert durch diese Publikation nunmehr formal belegt.“

Ergänzung zu Remdesivir?

Nach Ansicht der deutschen Experten könnten sich Dexamethason und das Virustatikum Remdesivir bei COVID-19 ergänzen. Dexamethason beziehungsweise andere immunmodulierende Substanzen und Remdesivir seien möglicherweise sogar eine sinnvolle Kombination – Remdesivir bekämpfe das Virus, Dexamethason die überschießende Entzündung.

„Solche Kombinationen werden gerade auch in anderen Studien untersucht“, betont der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie, Professor Bernd Salzberger vom Universitätsklinikum Regensburg, in dem SMC-Papier.

Vorläufige Ergebnisse der RECOVERY-Studie

Die RECOVERY-Studie wird von der Universität Oxford koordiniert. Die Autoren hatten am Dienstag erste Resultate von Dexamethason bei COVID-19 mitgeteilt. Danach lag bei Behandlung mit dem Steroid (6 mg/d i.v. oder p.o.) die Mortalität bei

  • mechanisch beatmeten Patienten um ein Drittel niedriger als bei Patienten mit Standardtherapie (RR 0,65; 95% CI 0,48–0,88).
  • Bei Patienten mit Sauerstoff-Gabe war das Risiko unter dem Steroid im Vergleich um ein Fünftel reduziert (RR 0,88; 95% CI 0,67–0,96) und
  • bei Patienten ohne Atemunterstützung war das Risiko nominell, aber nicht signifikant erhöht (RR 1,22; 95% CI 0,86–1,75).

Unter Standardtherapie war die 28-Tages-Sterblichkeit bei beatmeten Patienten mit 41 Prozent am höchsten. Unter Sauerstoffgabe betrug sie 25 Prozent, bei Patienten ohne Atemunterstützung 13 Prozent. Nach der ersten Auswertung geben die Autoren auch die „Number Needed to Treat“ (NNT) an: Um mit Dexamethason einen Todesfall zu verhindern, müssen acht beatmete Patienten und 25 Patienten mit Sauerstoffgabe damit behandelt werden.

In der RECOVERY-Studie werden mehrere Ansätze bei COVID-19 geprüft. Über 11.500 Patienten aus 175 NHS-Kliniken in Großbritannien nehmen mittlerweile daran teil. In den Dexamethason-Arm waren insgesamt 2104 COVID-19 Patienten randomisiert aufgenommen worden, in den Vergleichsarm mit Standardtherapie 4321 Patienten. Die Steroidgabe war mit zehn Tagen angesetzt. (Mitarbeit: nös)

Schlagworte:
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

© Viacheslav Yakobchuk / AdobeStock (Symbolbild mit Fotomodellen)

Springer Pflege

Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

COVID-19 in der Langzeitpflege

© Kzenon / stock.adobe.com

Springer Pflege

COVID-19 in der Langzeitpflege

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Wo lang im Gesundheitswesen? Der SVR Gesundheit und Pflege empfiehlt mehr Richtungspfeile für alle Akteure.

© StefanieBaum / stock.adobe.com

Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege

Gesundheitsweise empfehlen Primärversorgung für alle – und Quotierung der Weiterbildung

„Wenn die Politik Wissenschaftlern sagen würde, wir wollen dieses oder jenes Ergebnis, ist das Propaganda.“ Klaus Überla – hier im Treppenhaus seines Instituts – über Einmischungen aus der Politik.

© Patty Varasano für die Ärzte Zeitung

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

Dr. Iris Dötsch Fachärztin für Innere Medizin, Diabetologin und Ernährungsmedizinerin hat die Hauptstadtdiabetologinnen, eines neues Netzwerk für Frauen in der Diabetologie, gegründet.

© snyGGG / stock.adobe.com

Hauptstadtdiabetologinnen

Ein Netzwerk für Diabetologinnen