Herpes

Die rätselhafte Enzephalitis-Patientin

Der Zustand einer Patientin, die von einer Herpes simplex Virus-Enzephalitis scheinbar erfolgreich geheilt wurde, verschlechtert sich wieder. Schuld war aber nicht eine Rückkehr des Herpes-Virus, sondern jene Krankheit, an der auch Eisbär Knut starb.

Von Philipp Grätzel Veröffentlicht:
3D-Modell eines Herpes-Virus: Wegen der Viruserkrankung war die Patienten ursprünglich in Behandlung.

3D-Modell eines Herpes-Virus: Wegen der Viruserkrankung war die Patienten ursprünglich in Behandlung.

© fotoliaxrender / Fotolia

LEIPZIG. Die Herpes-Enzephalitis ist eine oft schwer verlaufende Entzündung des Gehirns, die fast immer mit hohem Fieber, bei acht von zehn Patienten mit kognitiven Auffälligkeiten und starker Vigilanzminderung und bei mehr als der Hälfte der Patienten mit epileptischen Anfällen einhergeht.

So ähnlich war es auch bei einer 52-jährigen, vorher gesunden Patientin, über die der Leiter der Zentralen Notaufnahme der LMU München am Campus Großhadern, Privatdozent Dr. Matthias Klein, beim 17. Kongress der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) berichtete.

Mehr als verblüffte Ärzte

Die Notfallmediziner waren bei dieser Patientin auf Draht: Eine Lumbalpunktion wurde sehr schnell durchgeführt, und konnte über den Nachweis von Herpes simplex Virus (HSV) im Liquor die virale Enzephalitis sichern.

Eine antivirale Behandlung wurde eingeleitet, und die Patientin ging für drei Wochen in die Rehabilitation. Nicht lange danach wurde sie freilich wieder vorstellig: Sie hatte manifeste psychotische Symptome. Im Vordergrund stand ein katatoner Stupor.

Angesichts der Anamnese lag der Verdacht auf ein Rezidiv der HSV-Enzephalitis nahe. Doch eine erneute Lumbalpunktion verlief unerwartet: Die PCR-Untersuchung auf HSV war negativ. Das Virus war weg. Nur die psychotischen Symptome waren da. Die Ärzte waren mehr als verblüfft.

"Die Lösung dieses Rätsels war letztlich eine Enzephalitis durch Antikörper gegen den NMDA-Rezeptor", sagte Klein. Diese sogenannte anti-NMDA-Rezeptor-IgG-positive Enzephalitis ist eine chronische Autoimmunerkrankung, die im Nachgang zu einer HSV-Enzephalitis, aber auch zum Beispiel in Folge einer Varizella zoster-Enzephalitis auftreten kann.

"Bei Kindern kennen wir diese Erkrankung als limbische Enzephalitis schon länger. Dass sie auch bei Erwachsenen auftreten kann, haben wir erst in den letzten Jahren gelernt", so Klein.

Während bei Kindern unterschiedliche Bewegungsstörungen im Vordergrund stehen, sind es bei Erwachsenen eher die psychiatrischen Symptome, die dominieren. Die betroffenen Patienten können deutlich wesensverändert sein, sie sind oft enthemmt oder aggressiv, zeigen akustische Halluzinationen und haben Krampfanfälle.

Eisbär Knut lässt grüßen

Die Behandlung von Patienten mit anti-NMDA-Rezeptor-IgG-positiver Enzephalitis kann langwierig sein. Bei der 52-Jährigen gelang es, durch eine Therapie mit Dexamethason im Laufe eines Jahres eine Besserung zu erreichen.

Auch Rituximab und Plasmapheresen können hilfreich sein. Klein betonte, dass es mittlerweile retrospektive Untersuchungen gebe, die darauf hindeuteten, dass die anti-NMDA-Rezeptor-IgG-positive Enzephalitis gar nicht so selten ist.

So berichteten Neurologen aus Bochum und Bielefeld kürzlich von vier Patienten mit refraktärer Epilepsie und Hippocampussklerose nach Virusenzephalitis, bei denen die Beschwerden mit NMDA-Rezeptor-Antikörpern assoziiert wurden (Seizure 2017; 51: 6-8).

Der berühmteste "Patient" mit anti-NMDA-Rezeptor-IgG-positiver Enzephalitis sei aber gar kein Mensch gewesen, so Klein. Der Berliner Eisbär Knut verstarb an genau dieser Erkrankung.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Rückgang vor allem in Hausarztpraxen

Immer weniger Demenzdiagnosen in Deutschland

Das könnte Sie auch interessieren
Was die MS-Behandlung auszeichnet

© Suphansa Subruayying | iStock

Lebensqualität

Was die MS-Behandlung auszeichnet

Anzeige | Merck Healthcare Germany GmbH
Unsichtbare MS-Symptome im Fokus

© AscentXmedia | iStock

Lebensqualität

Unsichtbare MS-Symptome im Fokus

Anzeige | Merck Healthcare Germany GmbH
Prognostizierbares Therapieansprechen?

© Stockbyte | gettyimages (Symbolbild mit Fotomodellen)

Antidepressiva

Prognostizierbares Therapieansprechen?

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Depression und Schmerz gehen häufig Hand in Hand

© brizmaker | iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

Depressionsscreening

Depression und Schmerz gehen häufig Hand in Hand

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
7-Jahres-Daten belegen günstiges Nutzen-Risiko-Profil von Ofatumumab

© Vink Fan / stock.adobe.com

Aktive schubförmige Multiple Sklerose

7-Jahres-Daten belegen günstiges Nutzen-Risiko-Profil von Ofatumumab

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novartis Pharma GmbH, Nürnberg

ADHS im Erwachsenenalter

Wechseljahre und ADHS: Einfluss hormoneller Veränderungen auf Symptomatik und Diagnose

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: MEDICE Arzneimittel Pütter GmbH & Co. KG, Iserlohn
Neue Ansätze zur Behandlung seltener Krankheitsbilder

© Dr_Microbe / stock.adobe.com

Entwicklungen in der Therapie neuromuskulärer Erkrankungen

Neue Ansätze zur Behandlung seltener Krankheitsbilder

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Auswertung über Onlinetool

Vorhaltepauschale: So viele Kriterien erfüllen Praxen laut Honorarvorschau

An Embolie und Dissektion denken!

Junge Frauen mit Herzinfarkt: Oft ist es keine Atherosklerose

EU-Bericht

Schwere Listerieninfektionen nehmen in Europa zu

Lesetipps
Ein Arzt als Comicfigur zeigt mit der rechten Hand den Weg hinaus.

© JPbodyparts / stock.adobe.com

Welchen Spielraum es gibt

Patienten rechtssicher ablehnen: So geht’s