Impfstoff-Suche

EU-Kommission stockt Coronavirus-Hilfspaket auf

Nach dem Ausbruch des neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 in Italien erhöht die EU-Kommission ihre Anstrengungen, das Virus zu bekämpfen. Der Erreger breitet sich indes in China und Vorderasien weiter aus. Bundesgesundheitsminister Spahn rechnet mit einer Pandemie.

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Italien  in Alarmbereitschaft: Eine Frau in Mailand legt sich einen Mundschutz an.

Italien in Alarmbereitschaft: Eine Frau in Mailand legt sich einen Mundschutz an.

© picture alliance / ZUMAPRESS.com

Brüssel. Im Kampf gegen die Verbreitung des neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 hat die EU-Kommission Hilfszahlungen in Höhe von 232 Millionen Euro angekündigt.

„Mit mehr als 2600 Toten gibt es keine andere Option, als sich auf allen Ebenen vorzubereiten“, sagte der EU-Kommissar für Krisenmanagement, Janez Lenarcic, am Montag in Brüssel. Das neue Hilfspaket solle die Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterstützen und Ländern mit schwächerem Gesundheitssystem zur Verfügung stehen.

Allein 90 Millionen Euro sollen in die Suche nach einem Impfstoff investiert werden. „Es sollte keinen Zweifel daran geben, dass es sich um eine globale Herausforderung handelt“, machte Lenarcic deutlich.

Der EU-Kommissar betonte, dass alle Reaktionen auf die durch das Coronavirus ausgelöste Lungenkrankheit Covid-19 auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse getroffen werden sollten. Zudem sollten alle Maßnahmen angemessen und in Absprache mit den anderen EU-Staaten gefällt werden. Zugleich machte er klar, dass etwaige Reiseeinschränkungen im eigentlich kontrollfreien Schengenraum Sache der einzelnen EU-Länder seien.

EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides sagte, die Situation in Italien sei besorgniserregend und zeige, wie wichtig es sei, dass die EU-Staaten vorbereitet sind.

Die Corona-Epidemie ist als Epidemie in Europa angekommen

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn

Die Bundesregierung bereitet sich auf eine gravierendere Lage in Deutschland vor. „Die Corona-Epidemie ist als Epidemie in Europa angekommen“, sagte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Montag in Berlin. „Deshalb müssen wir damit rechnen, dass sie sich auch in Deutschland ausbreiten kann.“ Die Lage deute darauf hin, dass sich das Virus in Form einer Pandemie ausbreite.

In Italien hat die Epidemie mit dem neuen Coronavirus Sars-CoV-2 bis Montagnachmittag mindestens fünf Todesopfer gefordert. Die Zahl der gemeldeten Infizierten stieg trotz drastischer Maßnahmen wie Sperrzonen auf rund 220, wie Zivilschutzchef Angelo Borrelli am Montag in Rom sagte. Mehr als 20 Menschen seien auf der Intensivstation.

In der Lombardei wurden zehn Gemeinden in der Provinz Lodi – die südlich der Millionenmetropole Mailand liegt – zu Sperrzonen erklärt. Zudem wurde eine Gemeinde in Venetien abgeriegelt. In vielen Gegenden in Norditalien steht das öffentliche Leben praktisch still.

Österreich warnt vor Hysterie

Angesichts des Ausbruchs der neuen Lungenkrankheit Covid-19 in Italien hat Nachbar Österreich vor Panik und Hysterie gewarnt. „Wir sind nach wie vor in einer sicheren, stabilen Situation“, sagte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) am Montag vor der Tagung von Fachgruppen und dem Einsatzstab.

Es bestehe kein Grund zur Panik, bekräftigte auch Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). Die Behörden seien international in engem Kontakt. Für die Beobachtung der neuen Lungenkrankheit ist es laut Anschober günstig, dass die klassische Grippewelle ihren Höhepunkt überschritten habe.

Als Vorsichtsmaßnahme hatte der Landeschef von Kärnten, Peter Kaiser (SPÖ), am Sonntag vor Reisen ins nahe Norditalien abgeraten. Zwei Züge aus Italien waren in der Nacht am Brenner vorübergehend angehalten worden, weil bei zwei Reisenden der Verdacht auf das Coronavirus bestand, die sich aber nicht bestätigte.

Steigende Infektionszahlen in China

In China gibt es immer mehr Infizierte und Todesfälle. Die Nationale Gesundheitskommission Chinas berichtete am Montag von weiteren 150 Toten – insgesamt sind somit 2592 Todesfälle registriert.

Die Zahl der Sars-CoV-2-Infizierten stieg auf insgesamt 77.150 (siehe nachfolgende Grafik). Auch viele Ärzte und Pfleger haben sich angesteckt – nach Angaben von Staatsmedien mehr als 3000.

Über das Wochenende starben mindestens drei Ärzte, zwei davon in Hubei. Im Alter von 29 Jahren starb Doktor Xia Sisi vom Xiehe Jiangbei Hospital in der Provinzhauptstadt Wuhan. Auch Huang Wenjun, Chefarzt der Lungenabteilung des Zentralhospitals in der Stadt Xiaogan, erlag der Lungenkrankheit. Ferner wurde aus Südchina der Tod des 55-jährigen Arztes Du Xiansheng vom Volkskrankenhaus in Haikou auf Hainan gemeldet.

„Größte Gesundheitskrise“

Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping sprach von der „größten Gesundheitskrise“ seit der Staatsgründung 1949. Er rief zu energischen Maßnahmen zur Kontrolle der Epidemie auf.

Nachdem das wirtschaftliche Leben in der zweitgrößten Volkswirtschaft stark abgebremst worden oder mancherorts sogar zum Stillstand gekommen ist, rief der Präsident nach Angaben der Staatsmedien vom Montag aber auch dazu auf, je nach Einschätzung der Gesundheitsrisiken vor Ort die Arbeit und Produktion langsam wieder aufzunehmen.

In Regionen, wo die Gefahr „vergleichsweise niedrig“ sei, solle sich der Kampf gegen das Virus darauf konzentrieren, eine Einschleppung zu verhindern, während die Produktion und das öffentliche Leben wieder begonnen werden sollten.

Gebiete mit einem „mittleren Risiko“ sollten Arbeit und Produktion je nach der örtlichen Lage der Epidemie wieder anfahren, während Regionen „mit einem Risiko“ sich hingegen weiter voll auf Kontrolle und Vorbeugung konzentrieren sollten.

Einsatz von wilden Tieren in der Forschung beschränkt

Als Reaktion auf den Ausbruch des neuen Coronavirus hat der Ständige Ausschuss des chinesischen Volkskongresses inzwischen den Handel und Verzehr wilder Tiere umfassend verboten. Die Entscheidung des parlamentarischen Gremiums folgt auf ein ähnliches behördliches Verbot, das die Marktaufsicht schon Ende Januar erlassen hatte.

Die Verfügung erstreckt sich auch auf wilde Tiere, die gezüchtet oder in Gefangenschaft gehalten werden, wie die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua am Montag von der Sitzung des Ausschusses berichtete. Auch der Einsatz von wilden Tieren in der wissenschaftlichen Forschung oder für medizinische Zwecke solle streng überprüft werden und sei genehmigungspflichtig.

Eine neue Studie chinesischer Wissenschaftler hält es allerdings für möglich, dass der Markt nicht die originäre Quelle war, sondern das Virus von anderswo dorthin geschleppt worden ist. Die Forscher um Yu Wen-bin vom tropischen botanischen Garten in Xishuangbanna und von Chinas Akademie der Wissenschaften stützen sich dazu auf genetische Analysen.

Das Virus habe möglicherweise schon Mitte oder Ende November in der Bevölkerung von Wuhan weit verbreitet gewesen sein können, so die Forscher. Der überfüllte Markt habe die Verbreitung von Sars-CoV-2 verstärkt. Von den ersten 41 nachgewiesenen Infektionen hätten auch nur 27 mit dem Markt in Verbindung gebracht werden können.

Mehr als 35 Länder und Regionen betroffen

Aus mehr als 35 Ländern und Regionen sind mittlerweile mehr als 2200 Infektionen und 27 Todesfälle berichtet worden (siehe nachfolgende Karte). In Südkorea wurden zwei neue Tote durch die Lungenkrankheit und 161 neu entdeckte Infektionen gemeldet. Damit gibt es schon 763 Ansteckungen und sieben Todesfälle in Südkorea.

In keinem anderen Land außerhalb Chinas, wo das Sars-CoV-2-Virus im Dezember ausgebrochen war, wurden bisher mehr Infektionen gemeldet.

Auch im Iran stieg die Zahl der Todesfälle auf nunmehr 12. Das bestätigte Gesundheitsminister Saeid Namaki am Montag. Nach Angaben des Nachrichtenportals Khabar-Online sind insgesamt 47 Menschen positiv auf das Virus getestet worden. Dies bestätigte das Ministerium nicht.

Erste Fälle in Afghanistan, Bahrain und Kuwait

Im Nachbarland Afghanistan wurde am Montag der erste Fall einer Erkrankung bestätigt. Er sei in der Provinz Herat im Westen des Landes aufgetreten, wie Gesundheitsminister Firusuddin Firus in einer im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz sagte. Herat grenzt an den Iran. Firus riet seinen Landsleuten dringend, nicht nach Herat oder aus Herat in andere Landesteile zu reisen. Afghanistan hat vorübergehend seine Grenze zum Iran geschlossen.

Auch die beiden Staaten Bahrain und Kuwait auf der Arabischen Halbinsel bestätigten am Montag erste Fälle des Coronavirus. Das Gesundheitsministerium in Kuwait teilte mit, dass bei drei Menschen, die aus der iranischen Stadt Maschhad nach Kuwait zurückgekehrt seien, das Virus nachgewiesen worden sei.

Auch bei dem Fall aus Bahrain handele es sich um eine Person, die aus dem Iran ins Land gekommen sei, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur BNA.

Die Türkei hatte bereits am Sonntag ihre Grenzübergänge zum Iran geschlossen, um eine Ausbreitung des Coronavirus Sars-CoV-2 zu verhindern. Zudem dürften von 20 Uhr Ortszeit (18 Uhr MEZ) an keine Flüge aus dem Iran mehr in der Türkei landen, sagte Gesundheitsminister Fahrettin Koca. Dies gelte „vorübergehend“. In der Türkei selbst ist bislang kein Fall gemeldet worden. (ths/dpa)

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