Atomkatastrophe

Gab es nach Fukushima mehr herzkranke Neugeborene?

Erste Berichte gingen davon aus, dass nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima mehr Kinder mit angeborenen Herzerkrankungen geboren wurden. Dies stellen japanische Wissenschaftler jetzt infrage.

Von Veronika Schlimpert Veröffentlicht:
Auf die Herzgesundheit japanischer Kinder hatte die Reaktorkatastrophe von Fukushima offenbar keine Auswirkungen.

Auf die Herzgesundheit japanischer Kinder hatte die Reaktorkatastrophe von Fukushima offenbar keine Auswirkungen.

© Kawee / stock.adobe.com

Tokio. Nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima am 11. März 2011 befürchteten viele, dass die erhöhte Strahlenbelastung eine Zunahme an Fehlbildungen bei Säuglingen zur Folge haben könnte. Zumindest auf die Inzidenz kongenitaler Herzerkrankungen scheint sich das Unglück nicht ausgewirkt zu haben, schreiben japanische Ärzte um Professor Yasutaka Hirata (J Am Heart Assoc 2020; 9:e014787).

Damit widersprechen die Wissenschaftler einer früheren Analyse, nach der es nach Fukushima einen Zuwachs entsprechender Fälle gegeben haben soll (Thyroid 2018; 28(1):11–22).

Untersuchung mit Mängeln

Grund zu dieser Annahme war ein nach dieser Zeit zu beobachtender Anstieg an Ops, die wegen eines angeborenen Herzfehlers indiziert waren. Diese Rechnung ist nach Ansicht von Hirata und Kollegen aber zu einfach. So hat sich in der aktuellen Analyse ergeben, dass die Sterblichkeit wegen angeborener Herzerkrankungen im selben Zeitraum zurückgegangen ist.

Die Chirurgen aus Tokio vermuten, dass die Kinder, die überlebt haben, in der Folge nochmals operiert worden sind, und es deshalb indirekt zu diesem Anstieg von chirurgischen Eingriffen gekommen ist.

In ihrer Analyse haben sie sich deshalb nur auf die erstmals wegen einer entsprechenden Indikation vorgenommenen Ops fokussiert. Zudem haben sie nur die Fälle ausgewertet, die mit Blick auf das Geburtsdatum dem Ereignis zugeordnet werden können.

In der früheren Analyse seien viele der dokumentierten Ops bei Neugeborenen durchgeführt worden, die vor dem Ereignis zur Welt gekommen sind, kritisieren Hirata und Kollegen das Vorgehen in der älteren Untersuchung. Diese Fälle können somit gar nicht mit dem Ereignis kausal in Verbindung stehen.

Neue Analyse widerspricht der Annahme

Zwischen Januar 2010 bis 2013 wurden insgesamt 2.978, 2.924, 3.077 und 2.940 Erstoperationen pro Jahr im nationalen Register für kongenitale Herzerkrankungen dokumentiert. Es sei also kein Trend zu mehr solcher Fälle zu erkennen, schließen die Studienautoren daraus.

Es habe sich auch in keinem Geburtsmonat ein entsprechender Trend gezeigt, wenn alle Erst-Ops durch die Gesamtzahl aller Geburten dividiert werden. Die Auswertung bezieht sich allerdings nur auf 59 Zentren, die 77 Prozent aller Ops wegen angeborener Herzerkrankungen in Japan vorgenommen hatten.

Selbst in der Region um Tohoku, wo die Nuklearkatastrophe passiert ist, hat es laut dieser Analyse keinen Anstieg an chirurgischen Eingriffen wegen angeborener Herzfehler gegeben, wenn nur die Erst-Op gezählt und der Geburtszeitraum berücksichtigt wird.

Strahlenbelastung offenbar nicht so hoch

Ein deutlicher Abwärtstrend ist bei der Sterblichkeit nach der Erst-Op zu verzeichnen, diese sank von vier Prozent in 2010 auf drei Prozent in 2013.

Die Ergebnisse bekräftigen die japanischen Wissenschaftler in ihrer Annahme, dass die Strahlenbelastung nach der Nuklearkatastrophe in Fukushima doch nicht so hoch gewesen war, wie anfangs befürchtet.

Ein wissenschaftliches Komitee zur Untersuchung der atomaren Strahlenexposition habe in nahezu allen Teilen Japans im Jahr des Unglücks und danach eine Strahlenbelastung gemessen, die geringer gewesen sei als die Hintergrundstrahlung, die der Körper per se ausgesetzt ist (in Japan entspricht das 2,1 mSv), begründen sie ihre Vermutung.

„Dieser Report schlussfolgert, dass die Strahlenbelastung für Menschen, die hunderte Kilometer weg von dem Fukushima Daiichi Nuklearreaktor leben, kein wesentliches Problem darstellt“, schlussfolgern die Wissenschaftler.

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