TK-Kindergesundheitsreport

Kaiserschnitt erhöht Krankheitsrisiko für Kinder

Eine Auswertung von Abrechnungsdaten der Techniker Krankenkasse schafft Evidenz: Kaiserschnitt-Kinder haben höhere Gesundheitsrisiken als herkömmlich geborene Kinder.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Einschnitt: Etwa jedes dritte Kind in Deutchland startet per Kaiserschnitt ins Leben.

Einschnitt: Etwa jedes dritte Kind in Deutchland startet per Kaiserschnitt ins Leben.

© Martin Valigursky / iStock / Thinkstock

BERLIN. Per Kaiserschnitt zur Welt gekommene Kinder haben höhere Risiken für Störungen des Sozialverhaltens und emotionale Störungen als auf natürlichem Weg geborene Kinder. Das geht aus einer Untersuchung der Techniker Krankenkasse hervor.

„Kaiserschnitte haben für die Gesundheit der Kinder weiter reichende Folgen als vielen bewusst ist“, sagte TK-Chef Dr. Jens Baas am Mittwoch in Berlin. Wenn ein Kaiserschnitt nicht zwingend indiziert sei, sollte bei Ärzten und Eltern die Gesundheit des Kindes mitbedacht werden.

Die Statistiker der Techniker haben die Abrechnungsdaten von knapp 39.000 im Jahr 2008 geborenen Kindern ausgewertet, insgesamt acht Jahre lang. Dabei hat sich herausgestellt, dass per Kaiserschnitt geholte Kinder in „hochsignifikanter Weise“ stärker von Krankheiten betroffen sind als normal geborene. Zu früh geborene Kinder haben noch einmal deutlich höhere Risiken.

Risiko für Verhaltensstörungen

So hätten 16,4 Prozent der per Sectio geborenen Kinder im Untersuchungszeitraum Verhaltensstörungen ausgebildet. Das Risiko für eine solche Diagnose lag damit um 10,9 Prozent über dem der herkömmlich geborenen Kinder.

Drei Risiko-Krankheiten

Verglichen mit auf natürlichem Weg geborenen Kindern steigt nach einem Kaiserschnitt die Wahrscheinlichkeit in den ersten acht Lebensjahren für die folgenden Krankheiten um:

  • 6,1 % für Streptokokkeninfektionen der oberen Atemwege
  • 7,4 % für Infektionen von Magen, Darm und Milz (Durchfall)
  • 8.9 % für leicht und mittlere Entwicklungsstörungen

Gleiches gilt für chronische Bronchitis (17 Prozent Gesamtprävalenz/9,6 Hazard Ratio [HR]), Allergien (29/8,8), Mangelernährung (18,7/7,8), leichte und mittlere Verhaltensstörungen (38,3/8,9), Infektionen von Magen, Darm und Milz (63/7,4), Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes (36,4/7), Streptokokkeninfektionen der oberen Atemwege (39,1/6,1) und akute Erkrankungen der unteren Atemwege (70,5/4,9).

Insgesamt identifizierten die TK-Forscher 67 Krankheitsgruppen mit ausreichend hohen Fallzahlen für eine weitergehende Analyse.

Hohe Kaiserschnittsrate in Deutschland

Die TK-Verantwortlichen halten diese Informationen für praxisrelevant. „In der Praxis sollten Kinderärzte und Eltern bei Kaiserschnitt-Kindern genauer hinschauen, um Auffälligkeiten frühzeitig zu bemerken und gegenzusteuern“, sagte Klaus Rupp, Leiter des TK-Versorgungsmanagements. Kinderärzte sollten das gelbe Vorsorgeheft auf Hinweise auf einen Kaiserschnitt prüfen.

Kaiserschnitte haben für die Gesundheit von Kindern weitreichendere Folgen als vielen bewusst ist.

Dr. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK

Die Kaiserschnittrate in Deutschland lag 2017 bei 30,5 Prozent. Bei unseren Nachbarn in den Niederlanden lag sie im Vergleichsjahr bei 16 Prozent. Eine generelle Kritik an der Geburts-Op will die Techniker mit ihrer Forschungsarbeit nicht verbinden. „Kaiserschnitte sind ein Segen für Mutter und Kind, wenn sie in medizinisch notwendigen Fällen eingesetzt werden“, sagte Jens Baas.

Ärzteausbildung im Fokus

Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht von zehn bis 15 Prozent medizinisch indizierten Kaiserschnittgeburten aus. Als Gründe für den Boom in Deutschland werden die sinkenden Hebammenzahlen und die leichtere Planbarkeit der Kaiserschnitte für die Krankenhäuser angenommen.

Auch unterschiedliche Akzente bei der Ärzteausbildung könnten eine Rolle spielen. Nicht überall wird der Umgang mit Saugglocke und Geburtszange noch hinreichend trainiert. Das könnte nach Ansicht der Autoren die hohen regionalen Unterschiede bei der Kaiserschnitt-Prävalenz erklären. Die Spanne reicht von 20 Prozent in Sachsen bis zu 31 Prozent im Saarland (siehe nachfolgende Grafik).

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Wir haben den Beitrag aktualisiert am 04.09.2019 um 14:26 Uhr.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Konsequenzen und Kosten

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