BAM-Kongress 2024

LGBTQIA+ – What!?

Beim BAM-Kongress 2024 zeigte sich, dass der Umgang mit Personen aus der LGBTQIA+-Community viel Nachholbedarf hat. Auch hausärztliche Praxen können einiges tun, um queerfreundlicher zu werden.

Marc KehrmannVon Marc Kehrmann Veröffentlicht:
Auch queere Patienten und Patientinnen kommen in die hausärztliche Sprechstunde. Mit wenigen Maßnahmen kann eine Praxis dafür sorgen, dass entsprechende Patienten sich besser aufgehoben fühlen.

Auch queere Patienten und Patientinnen kommen in die hausärztliche Sprechstunde. Mit wenigen Maßnahmen kann eine Praxis dafür sorgen, dass entsprechende Patienten sich besser aufgehoben fühlen.

© [M] Omeca / stock.adobe.com

Berlin. Beim ersten Bundesfortbildungskongress Allgemeinmedizin (BAM) in Berlin wurde am 31. Mai der Umgang mit queeren Patienten und Patientinnen in der hausärztlichen Versorgung thematisiert.

Queere Patienten nähmen – „welch Überraschung“ – gesundheitliche Leistungen genauso oft in Anspruch wie heterosexuelle Patienten. Mit dieser Feststellung betonten Dr. Michael Hunze, Flensburger Allgemeinmediziner und selbst mit einem Mann in einer Beziehung, und Dr. Philip Oeser, Weiterbildungsassistent für Allgemeinmedizin an der Charité Berlin, wie wichtig ein Verständnis für Patienten aus der LGBTQIA+-Community (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer, Intersex, and Asexual) sei. Nur so könne ein von beiden Seiten angenehmer Umgang mit dieser Personengruppe gelingen.

Was ist eigentlich Geschlecht?

Dass mit „Geschlecht“ nicht einfach Mann und Frau gemeint sind, ist in der breiten Masse der Gesellschaft angekommen. Vielmehr müssen mehrere Facetten unterschieden werden: Das biologische Geschlecht oder “sex“ fasst bekanntlich das chromosomale (XX, XY, et cetera), das gonadale (Testosteron, Östrogen) und das genitale Geschlecht zusammen. Davon abzugrenzen ist das soziale Geschlecht oder “gender“. Dieses meint die Geschlechtsidentität, die Geschlechterrolle und den Geschlechtsausdruck. Ein Blick in die aktuell gültige ICD-11 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) verrät, wie Trans-Menschen ihr Geschlecht erleben. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat mittels der neusten Auflage des ICD-11 den Begriff „Geschlechtsinkongruenz“ eingeführt. Somit werden Trans-Menschen nicht mehr mit einer „gestörten Geschlechtsidentität“ angesehen und im Abschnitt „Mentale und Verhaltensstörungen“ eingeordnet. „Geschlechtsinkongruenz ist durch eine ausgeprägte und anhaltende Inkongruenz zwischen dem erlebten Geschlecht einer Person und dem zugewiesenen Geschlecht gekennzeichnet“, heißt es dort.

Queerfeindlichkeit nimmt zu

Zahlen des Bundesinnenministeriums zeigen, dass 2022 allein über 1.000 Straftaten gegen queere Menschen gemeldet worden sind – Tendenz steigend. Darüber hinaus müsse mit einer hohen Dunkelziffer gerechnet werden, betonten Hunze und Oeser. Es müsse noch viel in Richtung Aufklärung und Sensibilisierung gemacht werden, um Diskriminierung vorzubeugen. Auch in der Hausarztpraxis könne ein entsprechender Beitrag geleistet werden. Für die Primärversorgung leiten die Beiden ab, dass bei Praxisinhabern, aber auch beim entsprechenden Personal, für diese Personengruppe mehr Bewusstsein geschaffen werden müsse. Folgende Maßnahmen seien denkbar:

  • Wünsche bezüglich Namen, Ansprache und Pronomen respektieren
  • Besonderheiten in Patientenakte vermerken
  • genderneutrale Anamnesebögen und Materialien
  • sensible, inklusive Sprache und Körpersprache
  • Berührungen nicht vermeiden, aber explizites Einverständnis einholen
  • „all gender“-Toiletten für Patienten
  • Broschüren im Wartebereich (zum Beispiel von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung)
  • Praxis als „safe space“ kenntlich machen (auch im Netz)
  • Anlaufstellen kennen (Selbsthilfegruppen, Vereine, Beratungsstellen, Treffpunkte, Teststellen für sexuell übertragbare Krankheiten)
  • im Team über Umgang mit queeren Patienten sprechen
  • Vorbehalte und Unsicherheiten adressieren

Fehler sind menschlich

Hunze und Oeser betonen, dass es ok sei, Fehler zu machen – sei es bei der Wahl der richtigen Pronomen oder dass man voraussetze, die Patientin sei mit einem Mann verheiratet. Es ginge primär darum, ein Bewusstsein für ebenjene Personengruppe zu schaffen. Mit den Bausteinen Offenheit, Diversität und Sicherheit sei das Fundament schon geschaffen. Viele Patienten würden sich sogar freuen, wenn beispielsweise – unter vier Augen – nach deren Geschlechtsidentität gefragt werde, um potenzielle Fettnäpfchen zu vermeiden.

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