Hintergrund

Menschen von Impfungen überzeugen - können Ärzte noch am besten

Verstärkt über Impfungen informieren und effiziente und verbindliche Impfprogramme auf den Weg bringen: So wollen Experten in den nächsten Jahren die Impfmedizin in Deutschland vorantreiben. Bei der 2. Nationalen Impfkonferenz wurden mögliche Strategien dazu diskutiert.

Wolfgang GeisselVon Wolfgang Geissel Veröffentlicht:
Ärztlicher Rat hilft Eltern bei Impfungen am besten weiter.

Ärztlicher Rat hilft Eltern bei Impfungen am besten weiter.

© Pfizer

Die Voraussetzungen für Impfungen in Deutschland sind eigentlich gut. Die nebenwirkungsärmsten und wirksamsten Impfstoffe stehen zur Verfügung und werden fast alle auch von den Krankenkassen bezahlt. Und es hat in der Vergangenheit große Erfolge gegeben durch Impfungen:

die Elimination der Poliomyelitis zum Beispiel, an der 1961 noch 300 Menschen gestorben sind oder das Zurückdrängen von invasiven Infektionen mit Haemophilus influenzae Typ b (Hib) in den vergangenen Jahren.

Solche Erfolge lassen sich aber nur erzielen, wenn die Bevölkerung vom Sinn der Impfungen überzeugt werden kann und wenn Impfziele auch von den Akteuren im Gesundheitswesen gemeinsam formuliert und angegangen werden. An beidem hapert es in Deutschland noch, wie RKI-Präsident Professor Reinhard Burger beim 2. Nationalen Impfkongress in Stuttgart kritisiert hat.

Unter den wenigen verbindlichen Impfzielen in Deutschland ist die Eradikation von Masern, die von der WHO jetzt bis 2015 in Europa angestrebt wird. Obwohl die Impfraten hier bei den ABC-Schützen ansteigen, gibt es trotzdem Schwachpunkte:

Es hapert noch beim termingerechten Impfen der Kleinkinder. Viele ältere Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sind zudem ungeschützt und werden durch Impfungen nicht erreicht. Auch die seit Sommer von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlene einmalige Impfung aller nach 1970 geborenen Erwachsenen greift noch nicht.

Hier sind unbedingt bundesweite Strategien für Nachholimpfungen nötig, die die Impflücken schließen könnten. Vorschläge dafür sind beim RKI in Berlin gesammelt worden und im Internet abrufbar. Außerdem brütet die Gesundheitsministerkonferenz weiter über mögliche Strategien in einem Nationalen Impfplan, der jetzt in einem ersten Entwurf im Sommer kommen soll.

Weitere bisher verbindliche Impfziele der WHO sind die Eradikation von Röteln. Hier gibt es mangels einer Meldepflicht in den meisten Bundesländern keine validen Daten über die Erkrankungszahlen. Man weiß aber, dass die Inzidenz der Rötelnembryopathien bereits unter 1 pro 100.000 Geburten gefallen ist und damit das Ziel hier erreicht wurde. Dies macht deutlich, dass die Surveillance von Infektionen in Deutschland gestärkt werden muss.

Wenig bekannt ist zudem das WHO-Ziel, die Impfraten gegen Influenza auf 75 Prozent in den Risikogruppen wie alte Menschen oder Menschen mit chronischen Krankheiten zu erhöhen. Hiervon ist man in Deutschland noch weit entfernt.

Sorgen macht hier den Impfexperten die Influenza-Impfung von Menschen in medizinischen Berufen. Hier hat 2010 eine RKI-Umfrage mit 1590 niedergelassenen Ärzten ergeben: 23 Prozent der teilnehmenden Allgemeinmediziner hatten sich nach eigenen Angaben noch nie gegen Grippe impfen lassen, und aktuell hatte damals nur etwa jeder zweite den Schutz.

Als Gründe für eine Ablehnung der Impfung gaben fast 80 Prozent der nicht-geimpften Ärzte "nicht nötig" an.

Kein Ruhmesblatt waren allerdings auch die Informationsstrategien zur Influenza-Pandemie im vergangenen Jahr. Der Kölner Wissenschaftsjournalist Volker Stollorz brachte es bei der Impfkonferenz auf den Punkt: "Es gab keine Pläne für eine milde, sondern nur für eine schwere Pandemie."

Institutionen hätten in ihren Risikoanalysen verstärkt die Unsicherheit ihrer Prognosen thematisieren müssen. Auch wurde häufig die Debattenhoheit nicht wirklich kompetenten Experten überlassen. Das Durcheinander der Einschätzungen hat dabei die Menschen verunsichert und der Impfmedizin Schaden zugefügt.

Daran wird deutlich, dass sich Impfungen nur durchsetzen lassen, wenn die Bevölkerung vom Nutzen überzeugt ist. Eine Impfpflicht wird es in Deutschland nicht mehr geben, auch nicht in Kindergärten oder Schulen, um eine Maserneradikation durchzusetzen. Darin waren sich die Experten bei der Konferenz einig.

Mit Argumenten gilt es anzusetzen: Gut ein Drittel der Eltern hat zum Beispiel Vorbehalte gegen einzelne Impfungen, wie eine bundesweite Umfrage der Bundeszentrale mit über 3002 Teilnehmern ergeben hat. Und die Schlüsselrolle bei der Entscheidung für eine Impfung haben immer noch die Haus- und Kinderärzte.

 93 Prozent der befragen Eltern halten ein Gespräch mit einem Arzt immer noch für die beste aller möglichen Informationsquellen dazu.

Lesen Sie dazu auch: Nationaler Impfplan - nur das Inhaltsverzeichnis steht

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