Panik-Attacke bei Epileptikern - oft steckt organische Ursache dahinter

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Epilepsie-Kranke leiden nicht nur unter ihren Anfällen: Bei jedem zweiten Patienten wird eine psychiatrische Komorbidität festgestellt. Häufig sind das Depressionen oder Panik- und Angst-Attacken. Auf dem Neurologen-Kngress in Berlin nannte Professor Bernd Pohlmann-Eden aus Halifax in Kanada Studiendaten, wonach zwischen 15 und 25 Prozent der Epilepsie-Patienten Ängste oder Panikattacken haben - etwa 7 Prozent sind es Allgemeinbevölkerung.</</b></</b></</b></</b>

Von Nicola Siegmund-Schultze

Angst- und Panikgefühle können Teil der Anfalls-Symptome sein und etwa während, kurz vor oder nach einem Anfall auftreten. In Einzelfällen sind solche Angst- und Panikattacken wichtig für die Epilepsie-Diagnose, weil sie auch Hinweise auf Tumoren sein können, so Pohlmann-Eden. Der Neurologe nannte ein Beispiel: Mit plötzlicher Nervosität, Panikgefühl bis zur Todesangst und verschwommener Wahrnehmung kam eine junge Frau zum Hausarzt. Die Attacken traten mehrmals täglich auf und hielten jeweils etwa eine Minute an. Da die Patientin zu diesem Zeitpunkt eine persönliche Krisensituation zu bewältigen hatte, empfahl der Hausarzt eine Psychotherapie und verzichtete auf die bildgebende Diagnostik. Diese erfolgte ein Jahr später, als die Symptome nicht zurückgegangen waren. Per struktureller MRT (sMRT) wurde ein Astrozytom entdeckt. Der Tumor hatte Anfälle ausgelöst, die mit iktalen - also während des Anfalls auftretenden - Panikattacken einhergingen.

Iktale Angst trete vor allem bei Temporallappen-Epilepsien und bevorzugt in der rechten Hemisphäre auf. Pohlmann-Eden rät, bei plötzlichen iktalen Angst-Attacken EEG und sMRT zur Differentialdiagnose zu verwenden. Herzjagen, Schwitzen, Panikgefühl seien die Hauptsymptome bei iktalen Angstattacken, so der Experte bei einer Veranstaltung des Unternehmens Pfizer.

Bei Panikattacken ohne Anfallskorrelat bleibe das Bewusstsein erhalten, beim Übergang in komplex-fokale Anfälle sei das Bewusstsein gestört. Epilepsie-Patienten berichteten daher häufig erst auf Nachfragen von der Angstattacke, formulierten eher undeutlich und zögernd. Patienten mit nicht-epileptischen Panikattacken erzählten häufiger von sich aus über das Ereignis, könnten sich gut erinnern und die Attacke klar beschreiben. Iktale Attacken dauerten meist ein bis zwei Minuten, Panik- und Angstanfälle anderer Ursache eher fünf bis zehn Minuten. Dejà-vu-Erlebnisse und Halluzinationen gebe es häufiger beim anfallsassoziierten Geschehen als bei Ängsten und panikartigem Verhalten ohne Bezug zur Epilepsie.

Neurobiologisches Korrelat zu den psychischen Symptomen seien nervale Verbindungen zwischen Epilepsieherd und Hirnstrukturen wie Amygdala, limbischem System, Hypothalamus und Hirnstamm.

Die bio- und neurochemische Verwandtschaft von Angst und Epilepsie mit einem gemeinsamen System von Botenstoffen wie GABA, Serotonin und Noradrenalin lasse sich therapeutisch nutzen. Studiendaten weisen darauf hin, dass Antiepileptika mit GABA-erger Wirkung wie Pregabalin (Lyrica®) auch deutlich anxiolytische Effekte hätten und sich für die Therapie von Patienten mit Epilepsie und psychiatrischer Komorbidität gut eigneten, sagte Pohlmann-Eden.

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