DEGAM-Kongress
Primärversorgungszentren – große Vielfalt und hohes Potenzial für die Versorgung
Es gibt zahlreiche Ausprägungen von Primärversorgungszentren. In einem Workshop der DEGAM wurden einige davon vorgestellt – ausschließlich in einem positiven Licht.
Veröffentlicht:Hannover. Arbeiten in einem Primärversorgungszentrum? Für fast jeden Teilnehmenden im Workshop zum Thema am Freitag wäre das eine Option. Beim DEGAM-Kongress in Hannover wurde allerdings hauptsächlich auf die Vorteile abgehoben.
Es gibt Primärversorgungszentren, Integrierte Versorgungszentren, Regionale Versorgungszentren. Es bilden sich HÄPPI-Praxen und Gesundheitskioske.
Eine Graswurzelbewegung pro Zentren und damit verbunden eine Abkehr von den etablierten Praxisstrukturen? Das wurde im Workshop nicht vertieft. Stattdessen wurden drei Ausprägungen der zentrierten Formen mit ihren Vorzügen vorgestellt:
- Lokales Gesundheitszentrum (LGZ): Davon gibt es inzwischen sechs in Hamburg, alle von der Sozialbehörde gefördert. Eines der Merkmale dieser Zentren: Es gibt mindestens eine Arztpraxis, die mit anderen Gesundheitsberufen eng kooperiert. Im LGZ Stellingen etwa stimmen sich Hausärztin Dr. Mirja Sahlmann und ihre Kollegin aus einer Gemeinschaftspraxis regelmäßig in Fallkonferenzen und interprofessionellen Teamsitzungen, etwa mit einer Community Health Nurse, ab. Sahlmann sieht darin „nur Vorteile“, räumte aber auch ein: Ohne das Gesamtkonstrukt LGZ unter behördlicher Förderung hätte sie diese enge Abstimmung in der Frühphase ihrer Niederlassung nicht bewältigen können. Katja Wedlich vom LGZ nannte als Vorteile des Zentrums, dass es lange Betreuungszeiten der Patienten ermöglicht, Gesundheitswissen vermittelt, Einsamkeit reduziert und als zentrale Anlaufstelle fungiert. Allerdings wünscht sie sich, dass andere Arztpraxen und Gesundheitseinrichtungen das Zentrum noch stärker annehmen und dass eine dauerhafte Förderung möglich wird.
- Regionale Gesundheitszentren werden in Niedersachsen vom Land gefördert. Eine dieser Non-Profit-Gesellschaften arbeitet im Bürgergesundheitspark Bad Gandersheim. Eine enge Zusammenarbeit besteht mit einer Zweigpraxis eines MVZ in Trägerschaft der Universität Göttingen mit zwei Hausarztsitzen. Die ärztliche Leiterin Dr. Iris Demmer berichtete von großer Inanspruchnahme durch die Bevölkerung, einem intensiven Austausch mit anderen Medizinern und Gesundheitsberufen. Abgedeckt wird ein breites allgemeinmedizinisches Spektrum inklusive Hausbesuchen in Pflegeheimen und Koordination der Versorgung. Es wird unter anderem mit einer psychiatrischen Tagesklinik kooperiert, es gibt kurze Wege zu weiteren Arztpraxen, Tagespflege und anderen Einrichtungen. Um sich sektorenübergreifend zu vernetzen, gab Demmer zu bedenken, sei allerdings viel Eigeninitiative erforderlich.
- HÄPPI-Konzept: Der niedergelassene Arzt Dr. Michael Reiche aus Baden-Württemberg hat den langen Weg von Einzel- über Gemeinschafts- bis zur HÄPPI-Praxis beschritten. Bereut hat er ihn nicht, obwohl sich der materielle Gewinn für ihn nicht gesteigert hat. Sehr wohl aber der Spaß an der Arbeit und der Optimismus im deutlich vergrößerten Team. Reiche beschäftigt an seinen verschiedenen Praxisstandorten fünf Ärztinnen und Ärzte sowie zwölf MFA, darunter Fachwirtinnen, VERAH und Physician Assistants. Um dahin zu kommen, war ein langer Transformationsprozess erforderlich, der das Team vor große Herausforderungen gestellt hat. In diesem Prozess wurde und wird digitalisiert, und Delegation nimmt breiten Raum ein. Eine Folge: Reiche betrachtet seine Praxis heute als „coolen und smarten Arbeitgeber“, Probleme bei der Nachwuchsgewinnung gebe es nicht. Klar ist für ihn: Ohne die Hausarztverträge und die hohe Einschreibquote wäre die HÄPPI-Praxis weniger attraktiv.
Drei Praxen berichten
Modellprojekt Hausarztmedizin von morgen: Was sich in der Praxis bewährt hat
Ergebnisse des Pilotprojekts in Baden-Württemberg
Wenn der Wandel zur Hausarztpraxis 2.0 HÄPPI macht
Für die Teilnehmenden klangen die vorgestellten Modelle ebenfalls attraktiv. Auf die Frage, warum aus unterschiedlichen Fördertöpfen von Krankenkassen, Innovationsfonds, Land und Kommunen Mittel in neue, zum Teil parallele Strukturen zu etablierten Praxen gesteckt werden, wurde im Workshop nur kurz nach Antworten gesucht.
Man vermutet zum einen haftungsrechtliche Gründe, aber auch die fehlenden Räume in Praxen für eine Zusammenarbeit unter einem Dach. (di)