Personalisierte Krebsmedizin

Quantencomputing – Turbo für die Präzisionsonkologie?

Um künftig individuell wirksame Therapiemethoden gegen Krebs zu entwickeln, setzt das Deutsche Krebsforschungszentrum auf Quantencomputing. Mit im Boot ist das Fraunhofer-Kompetenznetzwerk Quantencomputing.

Von Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Die Daten aus der Entschlüsselung von Tumorgenomen können in Zukunft möglicherweise mit Hilfe des Quantencomputers ausgewertet werden.

Die Daten aus der Entschlüsselung von Tumorgenomen können in Zukunft möglicherweise mit Hilfe des Quantencomputers ausgewertet werden.

© Tobias Schwerdt/DKFZ

Heidelberg/Ehningen. Big Data in der Onkologie: Bis zu 100 Terabyte an individuellen, meist sehr heterogenen Daten fallen bei Krebspatienten oft im Laufe ihrer Krankheitsgeschichte an – Blut- und Tumorwerte, persönliche Indikatoren, Sequenzier- und Therapiedaten und vieles mehr.

Bislang können diese Informationen in ihrer Fülle aus Mangel an geeigneten Verarbeitungsmechanismen kaum effizient genutzt werden. So bleiben vielversprechende personalisierte Therapieansätze bei vielen Krebserkrankungen Theorie, die Patienten erhalten Standardbehandlungen.

Um hier bisher ungenutztes Potenzial zu heben, setzt das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg in der Forschung auf diesem Gebiet auf das Quantencomputing – mit im Boot dabei ist die Fraunhofer-Gesellschaft.

Signalkaskaden auf der Spur

Für Dr. Niels Halama, DKFZ-Abteilungsleiter Translationale Immuntherapie stehen beim Einsatz des Quantencomputing einige zentrale Fragen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

„Wir wollen ergründen, wie wir mit einem Quantencomputer solche heterogenen Daten systematisch aufbereiten und nutzen können, um damit neue, gezieltere Wege zu finden für Patienten, bei denen Immuntherapien weniger wirksam sind. Die übergeordnete Frage lautet letztlich: Wie kann welcher Patient von welcher Therapie profitieren?“, verdeutlicht der Oberarzt am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT).

Damit verbunden seien angewandte Forschungsfragen, wie die, welche Signalkaskaden und biologischen Prozesse eine Rolle bei der Erkrankung spielen, oder die, wie die Ärzte diese für eine individuelle Therapieauswahl nutzen können.

Simulator adé, Quantenrechner ahoi!

Die mathematischen Grundlagen hat das Team des DKFZ bereits erarbeitet und erste Erfahrungen schon an anderen weltweit verfügbaren Systemen und an Simulatoren gesammelt. Es sei jedoch ein riesiger Unterschied, wie Halama explizit hervorhebt, ob man an einem Simulator mit perfekten Quantenbits arbeite oder an einem richtigen Quantencomputer wie dem IBM Q System One in Ehningen. Erst dort sehe man, wie stabil er bei einer gewissen Komplexität laufe und wo Fallstricke seien.

Am Ehninger System wollen die Forscher ihre Ideen nun anwendungsnah weiterentwickeln und konkretisieren. Konkret gehe es darum, herauszufinden, welche Algorithmen sich zur Informationsverarbeitung eignen, wie sie angepasst oder gegebenenfalls neu entwickelt, aber auch wie etwa Fehlerkorrekturen noch optimiert werden können.

Um die Möglichkeiten des Quantencomputing für neue Krebstherapieansätze auch interdisziplinär zu erforschen, suche das DKFZ-Team noch weitere Kooperationspartner aus verschiedenen Bereichen der Forschung und Industrie.

Potenzial auch für andere Branchen

Professor Raoul Klingner, Direktor Forschungsmanagement und –governance der Fraunhofer-Gesellschaft, hat bei dem gemeinsamen Projekt mit dem DKFZ aber nicht nur die Onkologie im Blick: „Der Einsatz des Quantencomputers in einem so komplexen und bedeutenden Feld wie der personalisierten Krebstherapie verdeutlicht das Potenzial, das Quantencomputing für die Medizin und zahlreiche Branchen darüber hinaus bietet.“

Einen hohen Stellenwert bei der Arbeit mit dem Quantencomputer hat für Halama unter anderem der Datenschutz. Wenn statt der Test- echte Patientendaten zum Einsatz kämen, „ist es ein großer Pluspunkt, dass der Ehninger Quantencomputer unter deutschem Datenschutzrecht läuft und die Daten lokal vor Ort bleiben.“

Datenverarbeitung ohne Tempolimit

  • Die Schnelligkeit von Berechnungen, die Quantencomputing in Zukunft herkömmlichem Computing überlegen machen könnte, ist laut Deutschem Krebsforschungszentrum ein weiteres wichtiges Kriterium, denn bei Krebspatienten zählt schlicht jeder Tag und schnelle Entscheidungen sind gefragt.
  • Da Quantenprozessoren Daten parallel statt hintereinander verarbeiten können, haben sie das Potenzial, auch große Datenmengen in einem Bruchteil der Zeit zu analysieren, die normale Computer brauchen.
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