Kommentar des Experten

Regelmäßige Kontrollen mindern Gefahren von Mikroangiopathien

Bei Nephro- und Retinopathie müssen Blutzucker und Blutdruck möglichst normnah eingestellt werden; wichtig ist auch ein regelmäßiges Screening.

Von Prof. Hellmut Mehnert Veröffentlicht:

Prof. Hellmut Mehnert

Arbeitsschwerpunkte: Diabetologie, Ernährungs- und Stoffwechselleiden: Diesen Themen widmet sich Prof. Hellmut Mehnert seit über 50 Jahren.

Erfahrungen: 1967 hat er die weltweit größte Diabetes-Früherfassungsaktion gemacht sowie das erste und größte Schulungszentrum für Diabetiker in Deutschland gegründet.

Ehrung: Er ist Träger der Paracelsus-Medaille, der höchsten Auszeichnung der Deutschen Ärzteschaft.

Die Retinopathie kann sowohl bei Typ-1- als auch bei Typ-2-Diabetes auftreten. Unterschiede gibt es in der Art der Erkrankung: Die gefürchtete proliferative Form bis hin zur Erblindung tritt fast ausschließlich bei Typ-1-Diabetes auf; bei Typ-2-Diabetes wächst hingegen die Bedeutung der Makulopathie.

Regelmäßige Augenuntersuchungen sind daher bei Menschen mit Diabetes sehr wichtig.

Bei der Prävention und Therapie gegen Retinopathie muss außer einer angemessenen Blutzucker- und HbA1c-Kontrolle besonders die Hypertonie vermieden werden. Die DCCT-Studie bei Typ-1-Diabetes und die UKPDS sowie die STENO-2-Studie bei Typ-2-Diabetes haben gezeigt, dass sich eine gute Diabeteseinstellung lohnt und für die Vorbeugung von Retinopathie und Nephropathie entscheidend ist.

Meist entwickelt sich eine diabetische Nephropathie

Eine frühzeitige Laser-Behandlung der Netzhaut ist dringend zu empfehlen, um einer Ausbreitung von Mikroaneurysmen, Lipidablagerungen und Proliferationen der kleinsten Gefäße in der Netzhaut entgegenzuwirken.

Parallel zur Retinopathie entwickelt sich meist eine diabetische Nephropathie. Die Faustregel, dass eine Nierenerkrankung bei Diabetikern nur dann als typische Glomerulosklerose (Kimmelstiel-Wilson-Syndrom) diagnostiziert werden kann, wenn bereits mikroangiopathische Veränderungen am Augenhintergrund vorliegen, gilt nur noch eingeschränkt.

Mit der Mikroalbuminurie werden heute häufig schon sehr frühe Stadien der Nephropathie erfasst, in denen sich eine Retinopathie noch nicht bemerkbar macht.

Im Verlauf der Nephropathie kommt es zu einer erhöhten Albuminausscheidung und zu einer Abnahme der glomerulären Filtrationsrate (GFR). Nicht der allgemeine Kreatininwert, sondern die GFR dient dazu, das Nephropathiestadium zu bestimmen.

Bei alleiniger Mikroalbuminurie sollte man bereits ACE-Hemmer oder Sartane einsetzen, die die Niereninsuffizienz und damit die Dialysehäufigkeit um Jahre hinausschieben können (die Dialysebehandlung eines Patienten kostet etwa 50.000 Euro im Jahr!).

Ebenso wie für die Retinopathie gilt natürlich ganz besonders für die Nephropathie, dass Bluthochdruck konsequent zu senken ist. Hier bieten sich verschiedene Kombinationen an, vor allem mit ACE-Hemmern und Sartanen sowie Kalziumantagonisten und Diuretika.

Wichtig ist zudem der stadiengerechte Einsatz oraler Antidiabetika bei Niereninsuffizienz. In Deutschland gilt, dass Metformin schon bei einer GFR unter 60 ml/min nicht mehr eingesetzt werden soll.

Keine Probleme beim Einsatz von Linagliptin

Das Gleiche gilt für Sulfonylharnstoffe, wobei besonders auch auf die Gefahr gesteigerter Hypoglykämien bei Niereninsuffizienz hingewiesen werden muss.

Glinide sind im Hinblick auf die Niereninsuffizienz und ihren Einsatz eher günstig, ebenso wie Pioglitazon, was allerdings von der GKV in der Regel nicht mehr bezahlt wird.

Erfreulicherweise können die DPP4-Hemmer (Sitagliptin, Vildagliptin, Saxagliptin) jetzt auch bei Niereninsuffizienz eingesetzt werden, wenn eine entsprechende Dosisreduzierung vorgenommen wird.

Überhaupt keine Probleme gibt es beim Einsatz von Linagliptin, weil es praktisch nur hepatisch ausgeschieden wird. Das Medikament ist in Deutschland aber nicht verfügbar.

In zunehmendem Maße werden künftig auch Typ-2-Diabetiker eine Dialyse benötigen. Eine Nierentransplantation als Alternative kann bei Diabetes ohne Weiteres vorgenommen werden. Die Ergebnisse sind bei Diabetikern sogar dann besonders gut, wenn gleichzeitig das Pankreas transplantiert wird.

Ein solcher großer Eingriff muss allerdings sorgfältig abgewogen werden. Die Überlebenszeit des transplantierten Pankreas ist im Übrigen höher, wenn gleichzeitig auch eine Niere transplantiert wird. Für Patienten, die diese Eingriffe erfolgreich überstehen, beginnt damit praktisch ein neues Leben.

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